Die Adventzeit beginnt neuerdings schon im Oktober mit Osterhasen, die zu Weihnachtsmännern umgeschmolzen werden. Ein erster
pseudo-furchterregender Termin ist Ende Oktober mit Halloween mit diesen unheimlich dumm schauenden Kürbisköpfen, Allerheiligen / Allerseelen
verlieren einiges an Festinhalt und im Lauf des Novembers werden Teile der Großstädte – auch Wien- zu einem Punschhüttendorf. Das Nützliche wird mit
dem Angenehmen verbunden. Warum nicht, wenn alles mit Maß und Ziel geschieht, wenn nicht nur Saufen das äußere Beruhigungsmittel für Gewissensbisse
ist, ohnehin viel Gutes getan zu haben. Knapp vor dem ersten Adventsonntag entsteht im Land ein großer Christkindlmarkt mit blühenden Lichtgirlanden.
Der Weihnachts-Disneyland-Charakter mit Zwergenfiguren, rundlichen Barockengeln, Schaukelpferd und Ringelspiel, dazwischen irgendwo die Heilige
Familie, soll uns inhaltlich dem Fest näher bringen. Ein kleiner Christbaum am Kühlergrill des Autos macht den Straßenterror vor Weihnachten zum Fest
der Nächstenliebe. Ist das wirklich so?
Umfragen bestätigen, dass Weihnachten zu einem sehr hohen Prozentsatz seinen religiösen Inhalt verloren hat und der kommerzielle Aspekt stark in den
Vordergrund tritt. Trotz all dieser nüchternen Beobachtungen haben sich doch diffuse religiöse Konturen erhalten, etwa die Sehnsucht nach Heimat, Friede,
Geborgenheit. Aber gerade an den hohen Festtagen schmerzen Verluste, Kränkungen doppelt so stark, flammen alte Konflikte wieder auf. Sehr bezeichnend ein
Satz aus einem Gespräch: Zu Weihnachten sitzen wir auf einer Bombe! Es ist sehr zu fürchten, dass unüberlegte Worte – Reizwörter- den Funken abgeben, der zu
einem großen Krach führt. So kommt der Unfrieden von draußen in die eigenen vier Wände. Müssen wir wirklich das alles resignierend zur Kenntnis nehmen? Nein!
Wir haben auch heuer wieder die Chance, Weihnachten, auch die Zeit davor, neu zu beleuchten. Es gibt eine Unmenge von Schriftstellen, die uns das
(weihnachtliche) Licht nahe bringen: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht.“(Jes.9,1). Die dunkle Zeit des Exils, in der Menschen zuvor alles
verloren haben, für die eine Welt zusammengebrochen ist- und das vor mehr als 2.500 Jahren- bekommen wieder Hoffnung. Auch wir erleben viele Dunkelheiten in
Umwelt, Berufsleben, Beziehungen und doch strahlt immer wieder ein Licht auf. Wenn das Glaubensleben weitgehend zu verdunsten droht, kommt es umso mehr auf
den einzelnen an, diesen Jesus von Nazaret, dem wir auch weltweit die Urlaubs- und Feiertage verdanken, spürbar zu machen.
Ist da jemand, dem Weihnachten mehr bedeutet als nur gutes Essen und Geschenke zu Minipreisen, weil „geiz geil ist“?
Ist da jemand, der ein Licht der Anerkennung entzündet, sodass es strahlende Herzen gibt?
Ist da jemand, der abgebrochene, verschüttete Wege in der Familie, der Arbeitswelt vom Geröll des Vorurteils, des Neids, des Machtgehabes freilegt?
Ist da jemand, der dem anderen sagt: „Es ist schön, dass es dich gibt, du bist wertvoll!“?
Weihnachten ist das Realsymbol. Er ist gekommen, auf den alle so lange gewartet haben. Gottes Stimme ist nicht leiser geworden auf dieser Welt, nur der Lärm,
auch im Weihnachtsdisney-Land bringt seine Stimme fast zum Schweigen. „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ (Joh.1, 14) Dieses Wort
hat einen Leib angenommen, es wurde Mensch. Dieses strahlende Licht, das in die Tiefen menschlichen Bewusstseins und Unterbewusstseins ein-dringt, bekommt
ein Gesicht, einen Namen: „ICH-BIN-DER-ICH-BIN DA-FÜR-DICH“. „Der Vater hat mich zu euch gesandt“. (Ex.3,14). Ist da jemand? - Amen.
In diesem Evangelium (Anm: Lk. 3, 1-6) trifft sich das „Who is who“ der Antike, viel Prominenz, VIPs, dazu kommt Johannes der Täufer, der gar
nicht in diese Gesellschaft passt. Wir haben von Johannes schon viel gehört, kein großer Diplomat, sein Äußeres nicht anziehend. Johannes, der Mann
des aufrechten Ganges, der überzeugt ist von dem, was er verkündet. Das kostet ihm letztendlich auch den Kopf- im wahrsten Sinn des Wortes.
Im Evangelium hören wir, dass der Ruf Gottes an Johannes, den Sohn des Zacharias, ergeht. Es handelt sich bei Johannes um jenen Mann, der auf wunderbare
Weise seinen kinderlosen Eltern anvertraut wurde, mit dem Gott ein großes Lebensprogramm vorhat, der ein lebendiges Geheimnis der Vorsehung ist, der genauso
wie alle Menschen Höhen, aber auch die Härten des Lebens durchstehen muss bis zu seiner Vollendung. Er verkündet: „Lasst euch taufen! Bekehrt euch, damit
eure Sünden vergeben werden!“ Es geht um eine Umkehrtaufe, genauer um Gesinnungsänderung. Das ist das Thema seiner Verkündigung: die Bekehrung zu Gott,
wegzukommen von den Sonderwegen (=Sünde, absondern). Johannes verkündet das in eine Zeit hinein, wo das jüdische Volk schwer unter der Besatzung der Römer
zu leiden hatte und sich auch die landeseigenen Fürsten als Tyrannen gebärdeten. Die Menschen waren orientierungslos, Propheten, die ein gewisses Korrektiv
zwischen Herrscher und Volk darstellten, gab es schon lange nicht mehr. An ihre Stelle traten die Schriftgelehrten, mit denen Jesus gewaltige Sträuße
ausfocht. Das Wort Gottes soll in dieser orientierungslosen Zeit wieder Stimme bekommen, nicht durch Politiker oder selbst ernannte Messiasse, sondern durch
Johannes, der den Weg, den Lebensweg des Herrn vorankündigt und auch mitgeht (=Vorläufer). Johannes soll der sein, der trotz allen Unheils, den Menschen
wieder zum Sinn ihres Lebens hinführt, ihnen die Verzweiflung nimmt, Hoffnung gibt. Taufe ist ein Untertauchen, Eintauchen, ein Reinigungsvorgang, nicht nur
körperlich notwendig, sondern auch frei werden, von alldem, was uns hindert, absondert, unser Ziel zu erreichen. Dieses Eintauchen, Untertauchen ist an sich
nichts Neues. Neu ist vielmehr, dass alle Menschen- ohne Ausnahme- dazu eingeladen sind, sich am Weg des Herrn zu orientieren. Diese Einladung wird noch
verstärkt durch die Rede des Propheten Jesaja, der im Babylonischen Exil gewirkt hat. Er gilt als die Stimme eines Rufers in der Wüste, der dem Herrn die
Wege ebnet.
Was im Evangelium an handfesten geschichtlichen Daten und Personen festgemacht wurde, um die Glaubwürdigkeit der Botschaft des Johannes zu erhöhen, gilt
auch für uns heute. Sie kennen die Redewendung von der einsamen Stimme des Rufers in der Wüste: also jemand, der ergebnislos um Sinnesänderung bittet, bzw.
diese einmahnt. Das sind nicht nur Eltern, Lehrer, die jungen Leuten Orientierungshilfen anbieten wollen, auch in der gesamten Gesellschaft brauchen wir die
Stimme des Rufers und Mahners, beispielsweise in vielen Umwelt,- Gesundheits- und Sozialfragen, ebenso dringend im kirchlichen Bereich.
Wir leben in Zeiten großer Umbrüche. Der Advent bietet Chance, über Sinnzusammenhänge nachzudenken, Wege, Lebenswege zu ebnen, wo es im Alltagsgeschehen
Stolpersteine gibt, neue Wege zu finden über die Schluchten und Abgründe der Bosheit, der Enttäuschungen, des Feiertagsfrusts und Wohlstandsgrants. Johannes
weist einen Weg mit Zukunftsperspektiven, Wege, die aus Versteinerungen, Verkrustungen auch in der Kirche herausführen. Der Alltag bietet immer wieder
Gelegenheiten dazu: das Gespräch, mitunter auch das reinigende Gewitter dabei, einladende Gesten, liebevolle Zuwendung zu dem, der sie braucht. Das sind
Geheimnisse der Menschwerdung Gottes, klein, unscheinbar, diskret.
Gott kommt zu uns in die Wüste des Lebens, nicht auf vorgegebenen Wegen. Er kommt dort, wo etwas unvollständig ist. Er will aus unserer Wüste einen blühenden
Garten machen. Lassen wir ihn ankommen.- Amen