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Nummer 2/2025 | ||
Selig, die Armen …
Armut war und ist noch immer ein weltweites Problem. Aber für wen hat die Bergpredigt im 21. Jahrhundert noch Gültigkeit? |
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![]() Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr … Bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts war Wohlstand ein echtes Minderheitsprogramm. Zwar gab es zu allen Zeiten und in allen Kulturen eine herrschende Klasse, die in Luxus schwelgte und der die Not ihrer Mitmenschen egal war, aber der Großteil der Bevölkerung lebte in mitunter bitterer Armut. Auch nach Abschaffung der Leibeigenschaft durch Kaiser Joseph II. sowie der an ihre Stelle getretenen Erbuntertänigkeit, welche erst nach der Revolution im Jahr 1848 beendet wurde, war das Leben der Masse an einfachen Menschen – egal ob es sich um Arbeiter oder Bauern handelte – mehr als beschwerlich und trotzdem voller Entbehrungen. Nur eine relativ kleine Schicht von Bürgern, die sich unter anderem aus Beamten und Kaufleuten zusammensetzte, hatte es ein wenig besser, wobei sich deren äußerst bescheidener Wohlstand sowohl vom Reichtum des alten Hochadels, als auch von dem des neuen Geldadels der Bankiers und Großindustriellen sehr deutlich Unterschied. Sehr bescheiden war wohl auch das Leben der Bevölkerung von Judäa vor rund 2.000 Jahren. Die Provinz gehörte zum Römischen Reich und wurde von einem in Rom ernannten jüdischen König regiert. Dessen Untertanen müssen die Versprechung eines besseren Lebens nach dem Tod wohl als Hoffnung und Trost empfunden haben. Den Ausgestoßenen, Armen und Hungernden wurde das Reich Gottes angekündigt, während den Reichen und Satten, die von allen gelobt werden, das Gegenteil prophezeit wurde. Diese frohe Botschaft muss für die damaligen Menschen ähnlich verlockend gewesen sein, wie heutige Werbeslogans von Lotterien für jene Menschen, die darüber klagen, dass ihnen zu wenig Geld zur Deckung des täglichen Bedarfs übrig bleibt, nachdem sie in der Hoffnung auf Reichtum mitunter mehr für Glücksspiele ausgegeben haben, als andere für ihr bescheidenes Leben benötigen. Obwohl in der Gegenwart sehr oft die Einkommens- und Vermögensschere zwischen arm und reich angeprangert wird, muss man sich bewusst sein, dass diese Unterschiede bei uns viel geringer sind als früher und es gerade den sozial schwächeren Teilen unserer Gesellschaft, insbesondere in West- und Mitteleuropa, daher so gut geht wie nie zuvor. Die soziale Absicherung ist in Österreich– von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen – wesentlich besser, als in den vielgepriesenen Vereinigten Staaten von Amerika oder gar in vielen anderen Teilen der Welt. Aufgrund unserer hohen Sozialstandards ist es für mich unverständlich, das in der heutigen Zeit bei uns und in anderen europäischen Ländern wieder ein linkspopulistischer Klassenkampf wie vor rund hundert Jahren betrieben wird, der seinerzeit bekanntlich böse Folgen hatte. In einer aktuellen Werbekampagne beklagt z.B. die Arbeiterkammer, dass Menschen im Unterschied zu Robotern rund 80% aller Steuern bezahlen und fordert eine faire Verteilung der Steuerlast. Die restlichen 20%, mit denen vermutlich Vermögens- und Körperschaftsteuern oder dergleichen gemeint sind, werden letztlich aber auch von Menschen bezahlt, nur werden sie im Unterschied zur Lohnsteuer oder zur Umsatzsteuer gegenüber den Arbeitnehmern bzw. Konsumenten nicht offen ausgewiesen, sondern sind in den Produktpreisen einkalkuliert. Der Wunsch nach einer 'Maschinensteuer' findet zwar sicher bei vielen Beziehern von kleinen Einkommen (welche womöglich gar nicht aus einer Arbeitstätigkeit, sondern von der öffentlichen Hand stammen) Anklang, ist aber völlig absurd, da sich auch diese Steuer in den Warenpreisen niederschlagen würde und damit nicht nur wieder vom Konsumenten getragen werden müsste, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Unternehmen beeinträchtigen und damit Arbeitsplätze gefährden würde. Außerdem werden bekanntlich ohnehin 75% der Lohn-bzw. Einkommensteuern von nur 25% der Einkommensbezieher aufgebracht, während fast die Hälfte kaum etwas durch Ertragsteuern zum Gemeinwohl beiträgt. Ferner wird es als unfair kritisiert, dass auch die Ärmsten unter uns fürs Wohnen und beim täglichen Einkauf Umsatzsteuern entrichten müssen. Das ist zwar zutreffend, aber dennoch unsachlich. Die Wohnungsmiete, die Lebensmittel sowie die lebensnotwendigen Getränke (Wasser und Milch) sind steuerlich begünstigt und werden mit nur 10%, anstelle der normalen 20% USt belastet. Daher tragen 'die Reichen', die z.B. für eine Flasche Champagner 10-mal so viel ausgeben, wie andere für eine gewöhnliche Flasche Sekt bzw. Wein oder die dafür gar das 50-fache von einer bei 'armen Hacklern' beliebten Flasche Bier bezahlen, automatisch auch wesentlich mehr zum Umsatzsteuer-Aufkommen bei, als die Geringverdiener. Dessen ungeachtet wäre eine gerechtere Aufteilung des Steueraufkommens durchaus wünschenswert. Dazu gehört aber auch die Bekämpfung der Schattenwirtschaft, bei der sich die Pfuscher die Einkommensteuer für ihre Einnahmen und deren Auftraggeber die Umsatzsteuer für ihre Ausgaben ersparen und damit den Staat schädigen. Als Spätfolge jammern die Schwarzarbeiter dann noch über Altersarmut, weil sie mangels Bezahlung von Sozialversicherungsbeiträgen nur geringe Pensionen erhalten. Das betrifft vermutlich auch nicht wenige Frauen, die sich mit privaten Dienstleistungen das Haushaltsgeld aufbessern. Einen wesentlich größeren Schaden für die heimische Wirtschaft – und damit für die inländischen Arbeitgeber – verursachen aber die von inländische Kund:innen genutzten ausländischen Online-Händler, welche die Waren zu wesentlich günstigeren Preisen anbieten können als der stationäre Handel, da sie sich die hohen Personalkosten, Lokalmieten und die österreichischen Ertragsteuern ersparen. Insbesondere die immer beliebter werdenden chinesischen Versandhändler verschleudern oft Ramsch, den sich die meisten Personen in einem Geschäft nach Begutachtung der Ware gar nicht kaufen würden. Aber wenn z.B. man bzw. vor allem 'frau' aus Sparsamkeit ihre billige Unterwäsche im Ausland ersteht, darf sie sich nicht wundern, wenn andere Menschen, in diesem Fall zumeist wiederum Frauen, beim Konkurs eines inländischen Wäschehändlers und -produzenten ihre Jobs verlieren und es nicht als seligmachend empfinden, wenn sie durch Arbeitslosigkeit in die Armutsfalle geraten. Die Aussicht auf einen Platz im Himmelreich ist in unserer säkularen Gesellschaft für die wenigsten Menschen ein Trost. Die Ankündigung, dass eher ein Kamel durchs Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes kommt, hat schon vor Jahrhunderten nicht alle abgeschreckt. Während die Angehörigen mancher Orden, wie z.B. der Franziskaner, ein Armutsgelübde ablegen und damit dem weltlichen Reichtum entsagen, beweisen die prunkvollen Paläste der Kirchenfürsten der Renaissance und des Barock (z.B. die unter anderem von Raffael mit prächtigen Fresken verzierten Gemächer der Päpste im Vatikan oder das Schloss Hellbrunn und das Schloss Leopoldskron der Salzburger Fürsterzbischöfe), dass manche Geistliche den irdischen Wohlstand nicht abgeneigt waren (und sind). Sie tranken guten Wein und predigten dem Volk Wasser sowie die Seligkeit im Jenseits, um es im Diesseits der Kirche und dem jeweiligen Herrscher gewogen zu halten. Aus diesem Blickwinkel ist wohl auch das bekannte Zitat 'Religion ist das Opium des Volkes' von Karl Marx zu verstehen. Durch die Aufklärung und die Revolutionen im 18. und 19. Jahrhundert wurden soziale Missstände nach und nach beseitigt und die Armut in der westlichen Welt verringert. Andererseits hat sich die Weltbevölkerung in den letzten Jahrzehnten rasant vermehrt. Vor 100 Jahren lebten nur etwa 2 Milliarden Menschen auf der Erde, vor 50 Jahren waren es bereits rund 4 Milliarden und mittlerweile sind es mehr als 8 Milliarden, also mehr als viermal so viele. Während das Bevölkerungswachstum in Europa und Nordamerika seit dem Pillenknick in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts stetig zurückgeht und mittlerweile sogar in China, wo der Zuwachs staatlich gesteuert wird, in Relation weniger Kinder pro Kopf zur Welt kommen als bei uns, wächst die Einwohnerzahl Afrikas und mancher Teile Asiens, wie z.B. Indiens rasant. Da die Wirtschaft und die gesellschaftliche Entwicklung mit diesem Zuwachs nicht Schritt halten können, ist die Armut der meisten Bewohner in den betroffenen Regionen vorprogrammiert. Es ist wenig verwunderlich, dass diese Menschen besonders empfänglich für Religionen (egal welche) und für Versprechungen, wie die oben erwähnten, sind. Fraglich ist hingegen, wie dem stetigen Schrumpfen der Gemeinschaft der Gläubigen der christlichen Kirchen bei uns Einhalt geboten werden kann. Trotz zahlreicher Reformen und Modernisierungen ist für mich bislang noch keine Trendumkehr ersichtlich. Ob der neue Online-Wiedereintritt, den die Katholische Kirche im Heiligen Jahr anbietet, eine Wende herbeiführen kann darf bezweifelt werden. Text und Bild: DDr.cer. Raffael
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