Nummer 9/2024 | ||
Die Badeni-Krise
Kein Jux: Gedanken von Vater und Sohn zur Sozialstruktur und zum Nationalitätenproblem in der späten Habsburgermonarchie. |
||
Heuer (2024) veröffentlichte Robert Menasse sein Buch 'Die Welt von morgen'. In diesem Werk beschreibt er den Zustand und die Aussichten für eine zukünftige Europapolitik. Als vorbildhaft beschreibt er da Zusammenleben der Nationalitäten in Österreich-Ungarn. Die Autoren möchten in diesem Artikel die Schwierigkeit eines solchen Miteinanders beschreiben.
Die Badeni-Krise, ausgelöst durch die Sprachenverordnungen für Böhmen und Mähren, bedeutete für das Zusammenleben der Nationalitäten in der Habsburgermonarchie einen vorläufigen Tiefpunkt, der das Ende dieses Reiches bereits vorankündigte. Durch die Wahl des ungünstigen Zeitpunktes, bedingt durch die Ausgleichsverhandlungen mit Ungarn und die bevorstehenden Reichsrat Wahlen, mussten die Sprachenverordnungen die an sich schwierige Situation im Nationalitätenkampf noch verschärfen. Die Kenntnis der Geschichte der Sprachenverordnungen und deren verheerende Folgen vermitteln nicht nur ein Verständnis für die schwierige innenpolitische Situation, die durch den Nationalitätenkampf hervorgerufen wurde, sondern zeigen auch welche vielschichtigen schwer durchschaubaren Konnotationen daraus resultieren. Im Selbstverständnis jener Zeit galt im Rahmen der Habsburgermonarchie 'Nation' als Sprachnation. Weder politische Einheiten noch Konfessionen erwiesen sich als relevant zur nationalen Identifikation. Der Kampf dieser Sprachnationen um Positionierung innerhalb des Staatsverbandes, spielte sich daher im Bereich von Sprachregelungen ab. Kasimir Felix Graf von Badeni wurde am 14. Oktober 1846 in Suchorów in Galizien geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften wurde er Verwaltungsbeamter. 1868 trat er in den Ruhestand und begann eine politische Laufbahn. Schließlich wurde er mit der Regierungsbildung beauftragt. Es gelang ihm die Bestätigung wichtiger Gesetze durch das Abgeordnetenhaus. Die 'glückliche Periode' seiner Regierungszeit ging mit den Sprachenverordnungen jedoch abrupt zu Ende. Badeni galt als kluger Reformer und exakter Administrator. Diesen Ruf erwarb er sich als Statthalter von Galizien. Als Pole stand Badeni über dem deutsch-tschechischen Gegensatz, jedoch waren ihm die Hintergründe der böhmischen Frage fremd. Es fehlten ihm tiefere Kenntnisse der Verhältnisse außerhalb Galiziens, denn er hatte nicht in Wien, sondern in Krakau Rechtswissenschaft studiert. Bei der Wahl seiner Ratgeber hatte er kein Glück, so beantragte er auf Drängen der liberalen Abgeordneten, unter der Führung des Freiherrn Johann von Chlumecky, beim Kaiser im November 1895 die Nichtbestätigung Dr. Karl Luegers zum Wiener Bürgermeister. Dies sollte sich als politisch nachteilig erweisen: Er verlor nicht nur die Sympathien eines Großteils der Wiener Bevölkerung, sondern auch die Unterstützung der Christlichsozialen. Ferner wurde er von der deutschliberalen Presse zur Gefahr für das Deutschtum erklärt. Durch seinen späteren Schwenk in der Bürgermeisterfrage rückten die Sozialdemokraten ebenfalls von Badeni ab. Badeni versuchte das Sprachenproblem in Böhmen und Mähren auf dem Verordnungsweg zu lösen. Besonders der §1 in der zweiten Verordnung betreffend die sprachliche Qualifikation der, bei den Behörden im Königreiche Böhmen angestellten Beamten, stellte für die Deutschen eine besondere Härte dar.1) Er verlangte von allen Beamten, die nach dem 1. Juli 1901 angestellt werden wollten, den Nachweis der Kenntnis beider Landessprachen in Wort und Schrift. Dieser Nachweis war spätestens drei Jahre nach Dienstantritt zu erbringen (§2). Von diesem Nachweis konnten lediglich niedere Beamten (Manipulationsbeamten) befreit werden. Ferner legte der §3 dieser Verordnung fest, dass schon sprachkundige Beamte bei der Postenbesetzung zu bevorzugen seien. Mit dieser Gleichberechtigung der inneren Dienstsprache war Badeni den Tschechen entgegengekommen. Für die Deutschen stellte sie aber praktisch einen Ausschluss vom Staatsdienst in ihrer Heimat dar. Erschwerend wirkte noch die Tatsache, dass nicht für eine zweisprachige Ausbildung in den Schulen gesorgt wurde. Durch die Badenischen Sprachenverordnungen vom 5. und 22. April 1897 wurden sowohl in Böhmen als auch im Mähren, die Tschechen, die mehrheitlich beide Sprachen lernten eindeutig begünstigt, da die Sudetendeutschen meist nur die deutsche Sprache beherrschten.2) Die Erklärung für die deutsche Einsprachigkeit liegt darin, dass die Deutschen in Böhmen Jahrhunderte lang Vorrechte genossen und nicht einen Gedanken daran verschwendeten, dass sich dieser Zustand ändern könnte. Sie dachten auch, dass dies rechtmäßig sei und beschlossen deshalb am 5. Oktober 1868 die gesetzliche Aufhebung der obligaten Erlernung der zweiten Landessprache an den Mittelschulen.3) Als das Abgeordnetenhaus die nächste Sitzungsperiode begann, wurden sofort Dringlichkeitsanträge der Deutschen Fortschrittspartei, der Deutschen Volkspartei und des Alldeutschen Verbandes gegen die Sprachverordnungen eingebracht, um diese mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Die Begründungen aller Parteien, welche den Dringlichkeitsantrag eingebracht hatten, lauteten dahingehend, dass dadurch der nationale Streit in allen Provinzen wieder neu aufflackern werde und vor allem die Deutschen in Böhmen dadurch gedemütigt worden seien. Proteste von Professoren und Studenten folgten. Von der Prager Universität verfassten alle deutschen Professoren eine Petition, die in Abschriften, sowohl der Technischen Hochschule, als auch der Universität Graz mit der Bitte geschickt wurden, ähnliche Petitionen zu verfassen. Die Prager führten in ihr aus, wie schwer die Verordnungen in Zukunft das Weiterbestehen der deutschen Universität in Prag gefährden, das ganze deutsche Volk schädigen und die Gesamtinteressen des Vaterlandes beeinträchtigen würden. Die deutsche Universität Prag erhielt auch ein, von Professoren der 21 Universitäten des Deutschen Reiches unterzeichnetes Schreiben, in dem die Solidarität mit ihr ausgesprochen wurde.4) Da die Prager Studenten zu gleichzeitigen Protestkundgebungen aller Hochschulen aufgerufen hatten, erließ Badeni am 22. Mai für alle Statthalter, deren Länder Hochschulen besaßen, den Befehl alle Protestversammlungen gegen die Sprachenverordnungen zu untersagen oder diese, wenn sie nicht angemeldet wären, aufzulösen. Badeni verbot die Abhaltung des für 13. Juni nach Eger einberufenen 'Deutschen Volkstages', was zu Gewalttätigkeiten mit Verwundeten und Verhafteten führte. Diese wurden als Märtyrer gefeiert. Nicht verboten hatte Badeni dagegen den am selben Tag in Klagenfurt stattfindenden 'Deutschen Volkstag'. Da natürlich aus Eger telegraphisch Meldungen über das Vorgefallene in Klagenfurt eingingen, kam zu einer Solidarisierung mit den 'Brüdern im Norden' und der Volkstag entwickelte sich zu einer 'Kriegserklärung' gegen Badeni. Die Folgen waren auch innenpolitisch sofort spürbar. Dies führte sogar soweit, dass er dem Kaiser am 24. August 1897 ein Demissionsangebot unterbreitete, das dieser aber ablehnte. Im Abgeordnetenhaus kam es zu schweren Tumulten. Badeni musste zugeben, dass sich alle Parteien, auch die bisher gemäßigten, daran beteiligt hatten und an eine Weiterarbeit im Parlament nicht zu denken war. Die XIII. Session wurde geschlossen. Eine kuriose Steigerung der Auseinandersetzung stellte eine Pistolenduellforderung des deutschradikalen Abgeordneten Wolf an Badeni dar. Beide überlebten unversehrt. Von Seiten der Studentenschaft gab es besonders heftige teils gewaltsame Proteste. In Graz kam es bereits ab Mitte November zu Auseinandersetzungen zwischen den Studenten der beiden Hochschulen und der Polizei. Die Polizei löste die Kommerse beider Hochschulen auf, und konnte ein Übergreifen der Unruhen auf die anderen Bevölkerungsteile verhindern. Es sollte noch schlimmer kommen: In der Murgasse führte ein Militäreinsatz gegen gewalttätige Studenten zu einem Todesopfer und mehreren Schwerstverwundeten. Nach weiteren schweren Tumulten wurde Badeni am 30. November 1897 entlassen und der bisherige Unterrichtsminister Freiherr von Gautsch mit der Regierungsbildung beauftragt. Text: AH Jux und AH Dicyan
Quellen: Grundlage dieser Arbeit ist eine Seminararbeit bei Prof. Haselsteiner. 1) Verordnung der Minister des Inneren, der Justiz, der Finanzen, des Handels und des Ackerbaues vom 5. April 1897, L.G.Bl. Nr. 13 2) http://www2.uni-linz.ac.at/fak/SoWi/ngesch-zgesch/modern.history.linz/001.pdf 3) Kornauth, Badeni, S.51 4) Sutter, Sprachenverordnungen - II. Band, S.41 |
||
Kontakt für allfällige Rückmeldungen: blech-bote@aon.at |