Nummer 7/2024 | ||
Solferino, das Rote Kreuz und Archimedes
Wie ein grausames kriegerisches Gemetzel im 19. Jahrhundert zu einer sinnvollen Freizeitgestaltung im 21. Jahrhundert führt. |
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Mit der Neuordnung Europas im Wiener Kongress wurde das napoleonische Königreich Italien aufgelöst und 1815 ein Teil davon als Königreich Lombardo-Venetien geschaffen. König von Lombardo-Venetien war der Kaiser von Österreich. Ab 1848 wurde der Kaiser durch einen General-Gouverneur vertreten. Dazu wurde Feldmarschall Graf Radetzky bestimmt. Sein Nachfolger war Erzherzog Maximilian, der spätere Kaiser von Mexiko. Bereits 1851 wurde das Königreich in die Kronländer Lombardei und Venetien geteilt. Ebenso war das Königreich Sardinien-Piemont nach 1815 wieder errichtet worden. Die Hauptstadt – sowie das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum – war Turin. 1852 wurde Graf Cavour Ministerpräsident von Sardinien-Piemont. Er hat seine Bestrebungen um eine Einigung Italiens konsequent verfolgt. Napoleon III war den Plänen nach einem vereinten Italien nicht abgeneigt. Er stimmt zu, das Königreich Sardinien-Piemont zu schützen, falls Österreich es angreifen sollte. Geschickt provozierte Cavour, so dass Österreich Sardinien 1859 den Krieg erklärte. Dieser Krieg gipfelte in der Schlacht von Solferino am 24. Juni 1859. Die Kaiserliche Armee erwarb sich damals kein Ruhmesblatt, aber das ist eine andere Geschichte… Am Tag der Schlacht war ein Schweizer Geschäftsmann, Henry Dunant, in der Gegend von Solferino. Eigentlich wollte er Napoleon III um Unterstützung bitten, um ein geschäftliches Problem mit der französischen Verwaltung zu regeln. Zu diesem Treffen kam es nicht. Henry Dunant wuchs in einer frommen calvinistischen Familie auf. Dort lernte er vom sozialen und politischen Engagement seiner Eltern. Schulisch nicht so erfolgreich, begann er eine Lehre bei Geldwechslern. Aus heutiger Sicht ist das am ehestens mit einer Lehre in einem Kreditinstitut vergleichbar. In seiner Freizeit engagierte er sich sozial und war bei den Gründern der Genfer Gruppe des Christlichen Vereins junger Männer. Im Auftrag seiner Dienstgeber tätigte er Geschäfte in Algerien, Tunesien und Sizilien. Schließlich gründete er in Algerien ein eigenes Mühlengeschäft. Um den Zugang zu Landkonzessionen zu erleichtern, wurde er französischer Staatsbürger. Als solcher reiste er – wie bereits erwähnt – nach Solferino. Er erreichte den Ort am Abend der Schlacht. Auf dem Schlachtfeld lagen immer noch etwa 38.000 (!) Verwundete. Er wendete sich an die örtliche Zivilbevölkerung, um die notdürftige Versorgung von Verwundeten zu ermöglichen. Die Hilfe erhielten alle, die es brauchten, unabhängig von Nationalität bzw. Zugehörigkeit zu einer Armee. Die Losung, die die Helferinnen ausgegeben haben, findet später auch ihren Platz in den Prinzipien des Roten Kreuzes: 'Tutti fratelli'. Seine Eindrücke von der Schlacht und den Zuständen danach fasste er im Buch 'Un souvenier de Solferino' ('Eine Erinnerung an Solferino') zusammen. Er entwickelte darin die Idee, dass auf Basis von Neutralität und Freiwilligkeit Hilfsorganisationen geschaffen werden, die das Leid von verwundeten Soldaten lindern sollten. Er ließ das Buch auf eigenen Kosten drucken und verteilte es anschließend in ganz Europa an führende Persönlichkeiten aus Militär und Politik. Das Buch wurde auch ins Englische, Deutsche, Italienische und Schwedische übersetzt. In Genf wurden das Buch und die Ideen Dunants auf die Tagesordnung der Mitgliederversammlung der Genfer gemeinnützigen Gesellschaft gesetzt. Man befand die Vorschläge für sinnvoll und durchführbar. Eine Kommission, zu deren Mitglied auch Dunant ernannt wurde, sollte weiteres prüfen. Bereits bei der ersten Sitzung am 17. Februar 1863 kam man überein, dass die Kommission in eine ständige Einrichtung umgewandelt werden soll. Das gilt als Gründungsdatum des 'Internationalen Komitees vom Roten Kreuz', wie die Kommission seit 1876 heißt. Bereits acht Monate danach, im Oktober 1863, fand in Genf eine Konferenz statt, an der Vertreter aus 16 Ländern teilnahmen. Es wurden Maßnahmen zur Verbesserung der Hilfe für verwundete Soldaten erörtert. Am 22. August 1864, also vor 160 Jahren, tagte auf Einladung des Schweizer Bundesrates eine diplomatische Konferenz mit Teilnehmern aus 12 Staaten. Dabei wird ein rotes Kreuz auf weißem Grund als Erkennungszeichen definiert. Es gibt die Erklärung, dass das eine Referenz an das Gründungsland Schweiz ist. Eine andere Erklärung ist, dass ein Kreuz in roter Farbe sehr leicht als Erkennungszeichen angebracht werden kann. Wie dem auch sei, seit 150 Jahren steht das Rote Kreuz für humanitäre Hilfe an Menschen, ganz gleich, welcher Herkunft, welchen Geschlechts, welcher Nationalität… Bereits im Russisch-Türkischen Krieg 1876 verwendete das Osmanische Reich den roten Halbmond als Erkennungszeichen. Im Iran wurde 1923 die Roter-Löwe-mit-Roter-Sonne-Gesellschaft gegründet, die im selben Jahr Teil der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung wurde. Daneben gibt es weitere länderspezifische Symbole und Zeichen. Da Kreuz und Halbmond auch religiöse, kulturelle und politische Konnotationen besitzen, wurde 2005 der Rote Kristall (Symbol unten rechts) als zusätzliches Zeichen etabliert. In der Folge gründeten sich nationale Rotkreuz-Gesellschaften. So z.B. 1866 das Schweizerische Rote Kreuz, 1870 das Britische Rote Kreuz, 1880 das österreichische Rote Kreuz und 1921 das Deutsche Rote Kreuz. In der Internationalen Rotkreuz- und Halbmondbewegung sind das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften sowie die nationalen Rotkreuz- und Halbmondgesellschaften zusammengefasst. Die Grundsätze sagen auch ohne Erläuterung alles darüber aus, wofür das Rote Kreuz steht: 'Menschlichkeit – Unparteilichkeit – Neutralität – Unabhängigkeit – Freiwilligkeit – Einheit – Universalität'. Das Österreichische Rote Kreuz ist gemeinnütziger Verein. Es besteht aus dem Generalsekretariat und 9 Landesverbänden. Die Landesverbände sind eigenständige Vereine, die in Bezirksstellen gegliedert sind, die Ortsstellen betreiben können. In Wien gibt es fünf Bezirksstellen im 2., im 3., im 10., im 14. und im 21. Bezirk. Beim Österreichischen Roten Kreuz sind ca. 10.300 hauptberufliche und ca. 75.000 freiwillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. Weites sind ca. 4.400 Zivildienstler tätig. Von Freiwilligen wurden 2023 ca. 9,8 Mio. Stunden geleistet. Die Aufgaben umfassen aber nicht nur den klassischen Rettungs- und Krankentransportdienst einschließlich der ambulanztechnischen Betreuung von Veranstaltungen. Der Blutspendedienst gewährleistet die Versorgung mit Blutkonserven und Blutprodukten. Der Katastrophenhilfsdienst hält Mittel und Logistik bereit, um bei unvorhersehbaren Ereignissen helfen zu können. Die Hilfe erfolgt dabei auch im Ausland. Ein sehr großer Bereich umfasst die Gesundheits- und Sozialen Dienste, hier wird Betreuung und Pflege von vielen Hauptamtlichen geleistet. Daneben leisten Freiwillige Begleit- und Besuchsdienste. Weiters gehören Lernclubs zu diesem Bereich. Viele Fakten finden sich im Jahresbericht des Österreichischen Roten Kreuzes 2023, aus dem auch Daten und Fakten in diesem Artikel stammen. Rettungssanitäter bei Wiener Roten Kreuz Und was habe ich damit zu tun? Im Herbst 2016 begleitete ich meine Frau zu einem 'Helferkurs' der Österreichischen Wasserrettung. Ein kleiner Erste Hilfe-Kurs war inkludiert und ich dachte mir, darüber sollte man mehr wissen. Meine berufliche und familiäre Situation ließ es zu, dass ich Zeit für etwas Neues hatte. Und so fragte ich beim Roten Kreuz nach, ob sie einen 'alten Mann' wie mich noch zum Sanitäter ausbilden würden. Nach Abschluss der Ausbildung verblieben ja bloß ca. 10 Jahre, bis ich mit 65 in 'Pension' gehen würde. Die Antwort war ermutigend, denn man meinte, dass viele Freiwillige, die in jungen Jahren mit großem Engagement und Begeisterung beginnen, wegen sich ändernder beruflicher oder familiärer Situation gar nicht so lange Zeit mitwirken. Aber auch beim Roten Kreuz gilt – wie bei Studentenverbindungen- einige halten auch viele Jahre und Jahrzehnte durch. Und so drückte ich nochmals die Schulbank als Methusalem der Gruppe. Nach einem erweiterten Erste Hilfe Kurs durfte ich als 'Lehrling' im Krankentransport- und Ambulanzdienst mitwirken. Bei meiner ersten Ausfahrt, bei der wir eine Verletzte abholten, musterte mich der mitfahrende ca. 13-jährige Sohn genau und fragte: 'Wie lange machen Sie das schon'. Meine ehrliche Antwort: 'Wir haben unseren Dienst eben erst begonnen, das ist heute die erste Ausfahrt!' Unter der Anleitung von Sanitätern darf man dann das anwenden, was man im Kurs gelehrt wurde. Und man lernt die Handhabe der Transportmittel, putzt unendlich oft mit Desinfektionsmitteln, man versucht die organisatorischen Abläufe und die verschiedenen Krankenhäuser mit deren Eigenheiten zu verinnerlichen und lernt viele Orte in Wien kennen, von denen man gar nicht dachte, dass es sie überhaupt gibt. Hat man genug Praxis gesammelt, darf man einen ca. 100 stündigen Kurs besuchen, der mit einer theoretischen und praktischen Prüfung abschließt. Hat man dazu noch genügend Dienste geleistet und in einem Übergabedienst gezeigt, dass man als Transportführer eigenverantwortlich die Mannschaft anleiten kann, wird man zum 'Rettungssanitäter' ernannt. Da ich das alles nur neben meinem Beruf machen konnte, habe ich für die Grundausbildung ca. 20 Monate gebraucht. Und dann geht’s los – glaubt man. Zwar gibt es ein tolles Online-Instrument, mit dem man sich zu Diensten melden kann, doch auf Grund kurzfristiger Stornos stand ich dann oft ohne Fahrer da und der Dienst entfiel. Das beschert mir zwar einen ruhigen Abend, ist aber auf Dauer ungünstig. Zur Erhaltung der Einsatzfähigkeit erwartet man nämlich ca. 120 Stunden im Rettungsdienst pro Jahr. Daher habe ich mich entschlossen, die Ausbildung zum Einsatzfahrer anzuschließen. Freiwillige Fahrer sind rar, daher ist es leichter, dass ein geplanter Dienst zu Stande kommt. Derzeit fahre ich vierzehntägig, einmal Freitag, einmal Samstag, einen sechsstündigen Abenddienst. Was da auf einen zukommt, ist ganz unterschiedlich. Von mehrstündigem Warten auf den ersten Auftrag bis pausenloses Abarbeiten von Notfalleinsätzen und Krankentransporten ist alles drinnen. Die nettesten Erlebnisse gibt es dabei bei Rufhilfe-Einsätzen. Menschen, die in den eigenen vier Wänden wohnen, aber nicht mehr alles selbst erledigen können, haben die Möglichkeit, dass sie über eine Alarmknopf Hilfe anfordern. Dieser Alarmknopf soll immer getragen werden, dazu ist er auf einem Armband befestigt. Systembedingt sind da Fehlalarme zu erwarten. Ein solcher führte uns in eine große Wohnung in einem prachtvollen Gründerzeit-Haus. Die Person, die den Notruf ausgelöst hatte, hörte schlecht. Daher spielte das Fernsehgerät mit höchster Lautstärke. Unabsichtlich wurde der Alarm ausgelöst, die Rückfrage über die Basisstation, die mehrere Zimmer vom Fernsehplatz entfernt stand, wurde nicht gehört. Daher Alarm an uns mit der Info: 'kein Kontakt'. In der Wohnung angekommen, folgten wird der launigen Musik aus dem Fernsehgerät und fanden eine Person vor, die einen gemütlichen Abend verbrachte. Die Situation war der Person sehr unangenehm, wir haben sie beruhigt, Blutdruck, Blutzucker und Temperatur gemessen, den Fernsehsessel repariert und sind wieder gefahren. Verabschiedet wurden wir mit den Worten: 'Der Fehlalarm war doch zu etwas gut. Dass ich heute noch so netten Besuch erhalten werde, damit hatte ich nicht gerechnet'. G’schichteln wie diese sind es, die mir bestätigen. Was ich da mache, das ist was G’scheites! Text und Foto: Dr.cer. Archimedes
Hinweis: Die Infos zur Geschichte stammen aus verschiedenen Wikipedia Einträgen, die Infos zum Roten Kreuz in Österreich und Wien aus Wikipedia Einträgen und von der Homepage http://www.roteskreuz.at. Die Links im Text führen zu Seiten, für deren Inhalt die im jeweiligen Impressum genannten Personen und Stellen verantwortlich sind. Symbole: https://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_Rotkreuz-_und_Rothalbmond-Bewegung, Abfrage am 21.7.2024 | ||
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