Nummer 6/2024 | ||
Kult-TOUR im Sommer
Die ganze Welt ist Bühne – und das Himmelszelt ersetzt dabei das Bühnendach. Zur Abwechslung berichten diesmal drei Mitarbeiter unserer 'Kulturabteilung' über ihre Eindrücke vom heurigen Theatersommer. |
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In den Sommermonaten schließen einige Theater ihre Pforten und die Bretter, die die Welt bedeuten, werden an interessante Schauplätze im Freien verlegt. Viele Schauspieler nutzen diese (Frei)Zeit um dort ihr Können zum Besten zu geben, sofern auch das Wetter mitspielt. Schon oft habe ich die Gelegenheit genutzt, um einige der unzähligen Produktionen anzusehen. Der Bogen spannt sich von Opern in Klosterneuburg oder Sankt Margarethen über Operetten und Musicals in Mörbisch oder der Felsenbühne Staatz, Dramen und Komödien in der Wachau-Arena Melk, vor der Burg Perchtoldsdorf oder im Schloss Laxenburg bis hin zu Kabarettprogrammen und Konzerten im Arkadenhof des (teilweise überdachten) Wiener Rathauses, um nur einige der schönsten Veranstaltungsorte zu nennen. Bisher hatte ich immer das Glück, die gewählten Aufführungen in voller Länge sehen zu können, weil meistens Schönwetter herrschte oder andernfalls ein leichter Regenschutz ausgereicht hat. Nur einmal mussten wir vor einigen Jahren in der Pause vom Hof des Stifts Klosterneuburg in die benachbarte Babenberger-Halle übersiedeln, aber dadurch kamen in den Genuss, dasselbe Stück an einem Abend an beiden Schauplätzen zu erleben. Im heurigen Jahr habe ich unter anderen das Theater im Park des Palais Schwarzenberg besucht und dort Shakespeares 'Sommernachtstraum' in der Bearbeitung von Michael Niavarani, mit Schauspielern aus dem bewährten Simpl-Ensemble, gesehen. In dieser Inszenierung, welche vor zwei Jahren am selben Ort uraufgeführt worden ist, behielten die Figuren zwar ihre griechischen Rollennamen, aber der Schauplatz wurde von den Hochzeitsvorbereitungen am Hof des Herzogs von Athen in ein zeitgenössisches Unternehmen verlegt. Dementsprechend tragen die Darsteller der 'realen Welt' eher moderne Kleidung, jedoch wird mit kleinen Halskrausen einen augenzwinkernden Bezug zur Mode a la William Shakespeare hergestellt. Im Gegensatz dazu sind die Darsteller der Elfenwelt mit historischen Kostümen ausgestattet. Die Kobolde erinnern eher an Faune und wirbeln mit artistischen Einlagen über die Bühne. Nur der Poltergeist Puck sticht optisch durch ein Pumuckl-artiges Kostüm hervor, welches dabei hilft die insgesamt vier Schauspielerinnen als Darstellerinnen ein und derselben Rolle zu identifizieren. Wie vom ursprünglichen Autor vorherbestimmt, endet der 'traumhafte' Polterabend mit der Versöhnung des Elfenkönigs Oberon und seiner Frau Titania sowie mit einem Happy End für die drei menschlichen Paare, welche den nächtlichen Spuk einer Sommernacht vergessen, der teilweise dazu beigetragen hat, dass sie zueinander finden. Alles in allem ist es nicht nur von der Ausstattung, sondern auch textlich eine sehr gelungene und unterhaltsame Adaption des historischen Stoffes in eine neuere Zeit und daher wirklich sehenswert. Nicht nur in Wien und Niederösterreich, sondern auch in allen anderen Bundesländern vom Burgenland bis hin zu den Bregenzer Festspielen in Vorarlberg, wird im Sommer Theater gespielt. Daher freut es mich besonders, dass es gelungen ist zwei Bundesbrüder zu finden, die als 'Auslands-Korrespondenten' weder Kosten noch Mühen gescheut haben, um im Folgenden über zwei Höhepunkte des heurigen Theatersommers in anderen Bundesländern zu berichten. Text: DDr.cer. Raffael
Archimedes zu Besuch bei 'My Fair Lady' am Neusiedlersee Seit auf der Seebühne in Mörbisch Musical gespielt werden, wurde das Angebot auch für mich interessant. 'My Fair Lady' – ein Musical Klassiker – steht 2024 am Programm. Dieses Musical auf großer Bühne zu sehen war Anlass mit meiner Gattin wieder einmal eine Vorstellung auf der Seebühne Mörbisch zu besuchen. Die Inszenierung transferierte den Schauplatz in das London von heute, wobei dort auffälliges Wienerisch gesprochen wurde. Prof. Higgins ordnete den Dialekt von Eliza Doolitte der Gegend von 'East Simmering' zu. Ob das ein Ortsteil von London ist, bleibt dahingestellt. Die große Bühne ermöglicht ein flexibles Bühnenbild und Umbauten können teilweise in den Ablauf einbezogen werden. Ebenso ermöglicht es dem großen Ensemble raumgreifende Choreografien zu zeigen. Die bekannten Lieder aus dem Musical wurden teilweise modernisiert und mit Rap-ähnlichen Passagen erweitert. In der Rolle des Alfred P. Doolitte glänzte so der Kabarettist Herbert Steinböck. Besonders gelungen fand ich die Übersetzung der Liedzeile 'With a little bit of luck' in 'Wannst a Masel hast im Leb'm', die dann auch noch als Rap präsentiert wurde. Großartig war auch der Auftritt von Dolores Schmidinger als Queen Elizabeth in der Szene in Ascot. Dabei wurden sehr originell Pferderennen in Szene gesetzt. Auf einem Bildschirm konnte man ein Rennen wie im Prater beim Stand 'Wiener Derby' verfolgen. Es war Pferdegetrampel zu hören, das von einer Seite der Bühne zur anderen wanderte. Es wurde mit Wasserfontänen unterstützt, die eine nach der anderen in derselben Richtung hochgingen. Am Ende des Stückes blieb offen, wer das Herz von Eliza erobern konnte, der egozentrische Prof. Higgins oder der schmachtende Freddy. Auch wenn die Vorstellung einschließlich Pause mehr als drei Stunden dauerte, bot der Abend das, was ich mir von Sommertheater erwarte: entspannte Unterhaltung, gepaart mit guten schauspielerischen Leistungen und origineller Regie, wobei Musik und Gesang gerne dabei sein dürfen. Jedenfalls war der Abend die Reise wert. Text: Dr.cer. Archimedes
Kipferls Reisebericht zur 'Jedermann'-Vorstellung nach Salzburg Die Anreise mit dem Auto über die Westautobahn war, wie die alten Lateiner sagen würden – con modo und natürlich mit einem gefüllten Rucksack an Vorfreude auf die am nächsten Tag stattfindende 'Jedermann'-Vorstellung. Natürlich war eine gewisse Spannung im Gepäck. Zum einen Philipp Hochmair nicht in der Rolle des Kriminalisten – Blind ermittelt – zu sehen, sondern bei einem mittelalterlichen Mysterienspiel aus dem 16. Jhdt., das eine schauspielerische Herausforderung an Höchstleistung mit sich bringt. Hugo von Hoffmannstahls Leben und Sterben des reichen Mannes wurde in einer Zeit (1911) uraufgeführt, als gerade Wien zu einer internationalen Weltstadt herangewachsen war (2,1 Mio. Einwohner) und die Wirtschaft die Errungenschaften der Elektrotechnik des vergangenen Jahrhunderts zu genießen begann. Genau da platzierte Hoffmannsthal sein Mysterienspiel. Das Stück spielt im 15. Jahrhundert und handelt vom reichen Herrn Jedermann, der im Angesicht des Todes sein ausschweifendes gottesfernes Leben bereut. Er tut Buße und ihm wird daraufhin Gottes Gnade zuteil. Gott beklagt, dass die Menschen im Angesicht des aufkommenden Wohlstandes – eine Parallelität – zur wirtschaftlichen Entwicklung in Österreich, von ihm abgewandt haben. Nun aber zu den Schauspielern und dem Schauspiel selbst – einige Anekdoten und Kuriositäten: Peter Simonischek hat mit 91 Auftritten als Jedermann den Rekord gehalten. Ihm folgend auf Platz 2 war Alexander Moissi mit 69 Auftritten. Tobias Moretti hatte einen enormen Frauenverschleiß (Buhlschaften) in der Rolle des Jedermann – es waren: Stefanie Reinsperger, Valery Tscheplanowa und Caroline Peters. Die heurige Buhlschaft wurde von der Schweizerin Delaila Piasko gespielt. 1973 inszenierte der Regisseur Ernst Haeusserman den Jedermann. Er engagierte als den 'reifen Liebhaber' Jedermann niemand geringeren als Curd Jürgens und stellte 1974 die unwiderstehliche Senta Berger als Buhlschaft gegenüber. Das war an Opulenz nicht zu überbieten. Nicht nur die Kostüme sondern auch an nackter Haut (Senta Bergers hervorquellender Busen). Für das Publikum ist sie bis heute die 'wahre' Buhlschaft. Noch heute werden ihre Nachfolgerinnen mit ihrem Sexappeal verglichen, was ja mit Curd Jürgens als Lebemann (auch im wahren Leben), zu einer der besten Schauspieler - Konstellationen geführt hat. Da sind wir nun auch schon beim Jedermann von heute. Philipp Hochmair ist einfach phantastisch in der Rolle, die ihm, wenn man auch ein bisschen die Seitenblicke im ORF verfolgt, auf den Leibe geschrieben scheint. Tritt er doch privat immer mit seiner berühmten Zigarre zwischen den Fingern auf und auch sein Outfit ist dem eines Lebemanns nicht fern. Vergleichbar mit dem Frauenschwarm Curd Jürgens – langes Shirt und goldene Halskette, bei Hochmair offenes Shirt bis zum Nabel, Halsketten und Zigarre beim Bieranstich im Stieglbräu. Siehe dazu auch die Kritik im Kurier – Neuer Salzburger 'Jedermann': Philipp Hochmair als Problemmilliardär von heute – in Anbetracht der Benko Pleiten – eine Parallelität. Hochmair spielt Jedermann, wie wenn er keine andere Rolle könnte – authentisch und absolut vergleichbar mit Curd Jürgens. Die Pforten des Salzburger Doms werden zu den Zugängen zu Jedermanns Palazzo umfunktioniert und auch sonst ist das Bühnenbild sehr einfach und doch durch die Mauern des Doms als opulentes Heim von Jedermann zu betrachten. Das vergoldete Mercedes Kabrio ist in seiner Protzigkeit nicht zu überbieten und lässt Vergleiche mit dem größten Bankrotteur der heimischen Wirtschaft der Gegenwart zu. Die Buhlschaft ist einmal mehr mit zartem Sexappeal ausgestattet und tritt im Bademantel auf (ein bisschen in Anlehnung an Udo Jürgens bei jedem Konzertabschluss). Trotzdem unheimlich sympathisch und nicht deplatziert. Regisseur Carsten ging auch ein bisschen weiter in der Erzählung und somit endet die Vorstellung nicht mit dem Tod, sondern auch mit einem visionären Blick ins Jenseits. Einfach fantastisch und die minutenlangen Standing Ovations waren nicht nur der schauspielerischen Leistungen der einzelnen Schauspieler gewidmet, sondern dem Bühnenbild und der Regie. Ist echt sehenswert. Beeindruckt von der Aufführung war vor dem Eintreffen im Hotel einen Absacker auf der Steinterrasse notwendig. Ein fantastischer Ausblick auf die beleuchtete Festung bei einem kühlen Getränk rundete diesen eleganten und phänomenalen Abend wunderbar ab. Ein unvergessliches Erlebnis. Text und Bilder: AH Kipferl
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