Nummer 6/2024
Antisemitismus an Hochschulen

Kein Jux! Der Antisemitismus an Hochschulen ist keine Erfindung der Gegenwart, wie ein historischer Rückblick auf die Entstehung des jüdischen Korporationswesens beweist.


Zum Gedenken an zerstörte Synagogen stehen in Wien 25 Lichtzeichen,
die von unten betrachtet die Form eines Davidsterns haben.

Die Gegenwart erweist sich für Antisemiten als eine gute Zeit. Der Antisemitismus konnte sich aus Schmuddelecken der Gesellschaft befreien und ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. An amerikanischen Eliteuniversitäten wird nicht nur diskutiert und demonstriert, sondern jüdische Studenten und Studentinnen werden verbal und körperlich angegriffen. Sie fühlen sich nicht mehr sicher. Auch an unseren Universitäten ist es zu antisemitischen Demonstrationen gekommen. Anzeigen antisemitischer Vorfälle sind vermehrt zu verzeichnen. Akademischer Boden war stets ein Platz für solche Auseinandersetzungen. Dazu ein historischer Rückblick:

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verstärkte sich der Antisemitismus allgemein und besonders auf akademischem Boden. Jüdische Kommilitonen, selbst solche mit deutsch-nationaler Gesinnung, wurden aus den Burschenschaften verdrängt und Bestellungen jüdischer Professoren wurden von heftigen Protesten begleitet. Als Folge kam es zur Gründung von jüdischen akademischen Verbindungen. Die akademische Verbindung Kadimah (hebräisch für 'Vorwärts') wurde 1882 gegründet. Sie ist demnach die älteste jüdische Verbindung der Welt.1) Dieser Korporation wurden 1883 die Statuten bewilligt, was zu antisemitischen Demonstrationen und tätlichen Angriffen gegen jüdische Studenten führte. Die Kadimah sah es als ihre Pflicht an die jüdischen Studenten zu beschützen. Dadurch wurde der Begriff 'Wehrhaftigkeit' in ihr Ideengut verankert.2) Weitere Grundsätze der Kadimah, waren laut ihren Statuten, die Bekämpfung der Assimilation, die Hebung des jüdischen Selbstbewusstseins und die Besiedelung Palästinas.3)

In den nächsten Jahren entstanden in Wien und in anderen Städten der Monarchie (Graz, Prag, Brünn, Cernowitz) weitere jüdische Verbindungen. 1893 nahmen die jüdischen Korporationen das Prinzip des Duells zur Verteidigung ihrer individuellen und jüdischen Ehre an. Viele jüdische Studenten lehnten Ehrenhändel mit der Waffe ab, glaubten aber an die Notwendigkeit sich antisemitischer Angriffe und Beleidigungen dadurch besser erwehren zu können. Sie konnten außerdem mit dem Hinweis auf das erste schriftlich überlieferte Duell, David contra Goliath, beruhigt werden, zumal dieser Zweikampf für die jüdische Seite ein günstiges Ende fand.4) Besonders stark war der Antisemitismus unter tschechischen Studenten verbreitet.

In der Jüdische Volksstimme (Brünn) dem Centralorgan der jüdischen Arbeiter und Handelsangestellten wird von einer Gründung eines Altherrenverbandes in Wien berichtet und festgestellt: 'Der Verband könnte nicht nur für die Partei, sondern auch unter der Wiener Studentenschaft viel Nützliches leisten und sehr segensreich wirken. Hoffentlich beginnt er recht bald seine Thätigkeit.'5) Dieser Beitrag erscheint bemerkenswert da hier eine Verbindung zwischen Sozialdemokratischer Partei und Couleurstudententum aufgezeigt wird. Leider geht aus diesem Artikel nicht hervor, ob es sich um Alte Herren von jüdischen Corporationen handelte oder ob auch Burschenschaften und Corps, in welche ja viele sozialdemokratische Funktionäre korporiert waren, beteiligt waren. Da in den übrigen in Wien erscheinenden Presseorganen keine diesbezügliche Nachricht zu finden ist, muss eher angenommen werden, dass die Teilnehmer aus jüdischen Verbindungen stammen.

Am 17. November 1900 beging die brünner jüdisch-akademische Verbindung 'Veritas' die Feier ihres zehnjährigen Bestandes. In Festreden wurde auf die enge Verknüpfung der Korporation mit dem Zionismus verwiesen. 'Nachdem noch die Vertreter der Wiener Verbindungen 'Libanonia', 'Makkabäa' und 'Unitas' sowie Herr Dr. Schreier als Vertreter des Vereines 'Zion' gesprochen hatten, wurde nach Absingen des Bundesliedes der officielle Theil geschlossen. Ein animiertes Tanzkränzchen, welches die Festtheilnehmer noch lange beisammenhielt, schloss die schöne Feier.'5)

Eine bedeutende Quelle für das jüdische Korporationsleben stellt Dr. Bloch‘s Oesterreichische Wochenschrift (Centralorgan für die gesamten Interessen des Judenthums) dar. In einer Ausgabe dieses Wochenblattes ist die Existenz einer Lese- und Redehalle jüdischer Hochschüler bekundet. Dieser Verein kann als Vorfeldorganisation jüdischer Verbindungen aufgefasst werden. Ein damals oft gebrauchter Terminus spricht von organisierter Finkenschaft.6)

Neben jüdischen Korporationen mit zionistischer Ausrichtung gab es auch solche, die sich jüdisch nationalen Werten verpflichtet fühlten: In Falkenau a.d. Eger fand am 22. November ein vom Komitee jüdischer-nationaler Studenten veranstalteter Unterhaltungsabend statt. 'Die einzelnen Programmnummern fanden durchwegs lebhaften, berechtigten Beifall. Den Schluß bildete ein Tanzkränzchen, das in animirtester Stimmung Jung und Alt bis zum Morgengrauen beisammen hielt.'7)

Wie heute war der Antisemitismus auf akademischem Boden international. Panslawistischer Antisemitismus führte zur Auswanderung jüdischer Bevölkerung nach West - und Mitteleuropa. Dazu ein Beispiel: 'Der Antisemitismus auf den Universitäten hat in diesem Jahre in Russland wahre Orgien gefeiert.'8) An der Tomsker Universität wurde kein einziger Jude aufgenommen; an der Bergakademie zu Jekaterinenburg wurden von 60 Juden nur 4 aufgenommen. In Kiew von 150 Juden nur 53. Dies kommentiert Bloch's Wochenschrift folgenderweise: 'Bezeichnend für den bösen Willen der russischen Universitätsbehörden ist die Tatsache, daß Hunderten von Juden alljährlich die Aufnahme verweigert wird, obgleich auf den betreffenden Universitäten zahlreiche Plätze unbesetzt bleiben.'8)

Neu für den gegenwärtige Situation ist die besonders aggressive Art des muslimischen Antisemitismus und dessen Unterstützung durch linke Aktivisten. Höchst befremdlich waren antisemitische Aktivitäten an der Zentraleuropäischen Universität (Central European University) in Wien. Diese Privatuniversität wurde 1991 vom ungarisch-jüdischen Philanthropen George Soros gegründet und mit 420 Mio. Euro gefördert. Die CEU übersiedelte aus politischen Gründen von Budapest nach Wien-Favoriten.
Text: AH Jux
Bilder: DDr.cer. Raffael

1) Seemann Harald, Zirkel und Zionstern. Band 1; Graz 1990. 13. In der Folge: Seemann, Zirkel.
2) Seemann, Zirkel. 14.
3) Seemann, Zirkel. 8
4) Seemann, Zirkel. 14.
5) Jüdische Volksstimme (Brünn) 15.11.1900 20
6) Dr. Bloch´s Oesterreichische Wochenschrift 23.3.1900 12/228; in der Folge: Bl.
7) Bl. 31.8.1900 35
8) Bl. 12.10.1900 41
Kontakt für allfällige Rückmeldungen:
blech-bote@aon.at

zuletzt geändert: 20.07.2024 um 20.37 Uhr