Nummer 4/2023 | ||
Blut und Ehre
Kein Jux! Kaiser Karl und die Beendigung der Duell-Unsitte. |
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Unter einem Duell versteht man einen freiwilligen, mit gleichen tödlichen Waffen ausgetragenen Zweikampf zur Regelung von Ehrstreitigkeiten. Bereits in der Antike finden sich Belege für solche Zweikämpfe. Im Konzil zu Trient als Erfindung des Satans verboten, wurde als Tatstrafe die Exkommunikation festgesetzt. Diese Strafandrohung wurde auch auf Teilnehmer, Zuschauer sowie auf Personen ausgedehnt, die den Zweikampf irgendwie bejahten oder förderten. Demzufolge wurde im Duell Gefallenen nach kanonischem Recht ein kirchliches Begräbnis verweigert. Das Thema Duell wurde besonders von der schwarzgelben klerikalen Zeitung 'Das Vaterland' thematisiert. In einem Leitartikel werden die Leser an die Gegnerschaft des Papstes zum Duell erinnert. Leo XIII. richtete an die Bischöfe Österreichs und Deutschlands ein Schreiben, in dem er die Unvernünftigkeit und Verwerflichkeit des Duells klarlegt. Das vom Thronfolger bevorzugte Blatt bringt die vollständige Wiederholung dieses Schreibens vom 12. September 1891. 1) Die Idee Ehrenangelegenheiten mittels Zweikämpfe zu erledigen wurde in der Armee, in deutschnationalen Gesellschaftskreisen und in von Teilen des Adels vertreten. Gegner des Duells finden in liberalen, sozialistischen und katholischen Gruppen ihre Anhänger. Die Duellgegner sahen sich veranlasst gegen die in der Gesellschaft erfolgreichen Befürworter eine Institution aufzubieten. Diese erfuhr, bereits vor der Gründung, starke Zustimmung und Unterstützung. Eine solche ist auch eine Zuschrift des Grafen Andor Szechenyi 2), der als eine Autorität in Duellangelegenheiten galt, an die Wiener Allgemeine Zeitung: 'Sehr geehrter Herr Redacteur! Ich habe in meinem Leben vier Pistolen- und sieben Säbelduelle ausgefochten, muß aber offen gestehen, daß ich dabei stets die innere Überzeugung hatte, sowohl vom religiösen und gesetzlichen, als auch vom rein philosophischen Standpunkte, Unrecht und Unsinn zu begehen. Es ist mir daher ein wahres Herzensbedürfniß, anläßlich der von einer Anzahl tapferer Männer eingeleiteten Antiduellbewegung auch ihre Zustimmung meiner Wenigkeit Ihnen bekannt zu geben.' 3) Soweit ein Vertreter des Antiduellgedankens. Seine Bewunderung für eine 'Anzahl tapferer Männer' vergisst, dass auch eine Anzahl tapferer Frauen ihre Gegnerschaft zum Duell bekundete. Nach Gründung der Antiduellliga konstituierte sich eine Damenvereinigung der Allgemeinen Antiduellliga, unter der Leitung der Erbprinzessin Therese Schwarzenberg-Trautmannsdorf. 4) Einen leidenschaftlichen Appell zur Gründung einer Antiduellliga findet sich in der von Baronin Bertha von Suttner herausgegebenen Monatsschrift zur Förderung der Friedensbewegung (Die Waffen nieder!). 'Eine Antiduellliga wäre äusserst (sic!) segensreich und die Friedensliga befördernd. An der Spitze müsste natürlich eine Person stehen, die gleichzeitig dem höchsten Adel und dem Generalstab angehört. Dass (sic!) würde aber gewiss von Oberen verboten werden.' 5) Im heutigen Sprachgebrauch bedeutet dies die Etablierung einer Zivilgesellschaft, deren Führung, jedoch im Gegensatz von heute, von höchsten Gesellschaftskreisen getragen wird. Im Jahre 1902 verstärkte sich das Bedürfnis zur Gründung solcher Ligen, wie etwa in Frankreich, Ungarn, Deutschland und Italien. Als Vater der Idee der Liga galt Don Alfonso von Bourbon, der seine humane Agitation besonders in Österreich betrieb. Im Herbst 1902 wurden die Statuten der Antiduellliga für Österreich behördlich bestätigt. Als oberste Vereinsziele wurden die Bekämpfung des Duells, sowie die Organisierung von Ehrenräten zum Schutz der Ehre bestimmt. Der Ehrenrat soll durch Anrufung beider Teile, eventuell auch lediglich eines Teiles, seinen Spruch fällen und dadurch dem beleidigten Teil Genugtuung gewähren. 6) Schließlich konstituierte sich im Rittersaal des niederösterreichischen Landhauses am 4. Dezember die 'Allgemeine Antiduellliga für Oesterreich'. In ihrem Original-Bericht (Neues Wiener Journal) werden zunächst die Gründe für die Ablehnung des Duells angeführt: 'Zum Überdrusse wurde dargelegt, daß die Ehre des Arbeiters und Bürgers keine andere ist, als die des Officiers und Aristokraten, und so gut diese Stände ohne den Zweikampf auszukommen vermögen, müsse dies auch bei den anderen der Fall sein. Zum Überdrusse oft wurde auseinandergesetzt, was für jeden halbwegs vernünftig Denkenden klar ist, daß der Ausgang eines Duells vielleicht ein Urteil über die Geschicklichkeit eines Duellanten, häufiger auch nur über ihr Glück zuläßt, aber nie und nimmer über ihre Anständigkeit.' 7) Statt seinen Körper Säbelhieben und Pistolenkugeln auszusetzen, sei es vernünftiger die Institution eines Ehrenrates in Anspruch zu nehmen. Die Statuten wurden angenommen und Geheimrat Johann v. Chlumecky auch per Akklamation zum Vorsitzenden gewählt. Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Von Seiten der Militärpresse (Danzersche-Armee-Zeitung) wird kritisiert, dass im Falle der Aufhebung des Duellzwanges gesellschaftliche Ehrentribunale geschaffen werden müssten. Da diese bislang aber fehlten stünde fest: 'Hiemit ist indirect erwiesen, daß zum Schutze der Ehre gegenwärtig dem Ehrenmanne nichts Anderes überbleibt, als – das Duell.' 8) Heinrich von Pitreich wurde am 19. Dezember 1902 zum Reichskriegsminister ernannt. Er untersagte mittels eines streng vertraulichen Erlasses allen aktiven und inaktiven Offizieren den Beitritt zur Antiduellliga. In dieser Angelegenheit appellierte auf Beschluss des Centrumclubs der deutschklerikale Abgeordnete Tollinger an den Minister für Landesverteidigung Graf Welsersheim: 'Nach Berichten heutiger Blätter soll Se. Excellenz der Herr k. und k. Reichs-Kriegsminister v. Pitreich nachstehenden streng vertraulichen Reservatbefehl vom 6. März 1903 hinausgegeben haben: (es folgt der Wortlaut des bekannten Erlasses.)' 9) Dieser Erlass, so lautet die Begründung der Interpellation, sei in seiner Tendenz eine direkte Förderung der Duellunsitte sowie des Duellzwanges und somit unvereinbar mit den bürgerlichen und Militär- Strafgesetze und würde einen Gewissenszwang verlangen. Die abschließenden Fragen kurz zusammengefasst: Wurde dieser Erlass tatsächlich herausgegeben und wie sei der Inhalt mit bestehenden staatsgrundrechtlich gewährleisteten Rechten der Staatsbürger vereinbar. Und wäre seine Excellenz bereit sich für die Rücknahme des Erlasses zu verwenden. 9) Tollinger vertrat die Ansicht, dass durch den Duellzwang religiöse Anschauungen von Mohammedanern gegenüber jenen von gläubigen Katholiken besser geschützt wären und man müsse heftig dagegen protestieren, 'daß die Offiziersstellen für Gesetzesverächter oder für Raufbolde monopolisiert werden.' 10) Der Kriegsminister musste zurückrudern; er erlaubte nichtaktiven Offizieren den Beitritt zur Liga. Die Erfolge der Liga kann man als bescheiden bezeichnen. Die Gesellschaft erwies sich als nicht reif für deren Anliegen. Dies beweist ein bedauerliches Duell in höchsten politischen Kreisen: der Präsident des ungarischen Abgeordnetenhauses Graf Stephan Tisza focht ein Säbelduell mit dem Grafen Michael Karolyi aus, bei dem beide leicht verletzt wurden. 11) Kurz darauf am 10. Mai 1913 wurde Oberleutnant Weiß, der bei einem Pistolenduell gegen Hauptmann Zborowski zu Tode kam beigesetzt. Der Überlebende hatte noch weitere Ehrangelegenheiten offen. Von Allerhöchster Stelle wurde über die Duellaffäre ein ausführlicher Bericht eingefordert. Die Antiduellliga setzte ihren Kampf um ein Verbot des Zweikampfes unbeirrbar fort, konnte jedoch ein Ende dieser barbarischen Unsitte nicht bewirken. In Budapest fand ein Duell zwecks Regelung von Familienangelegenheiten ein erschütterndes Ende. Ein Versicherungsbeamter tötete seinem Schwager einem Oberleutnant bei einem Zweikampf. Die Bedingungen lauteten auf zweimaligen Kugelwechsel und eventuell einer Fortsetzung mit Säbel bis zur Kampfunfähigkeit. Heute werden Zerwürfnisse in Familien manchmal eher in Form von Messerstechereien ausgetragen. Die ungarische Antiduellliga richtete an den Kaiser eine Bitte: 'Eure Majestät, unser Herr und König! Anläßlich des heute zur Austragung gelangten Pistolenduells mit tödlichem Ausgang flehen wir Eure Majestät an, durch Ihre gütige und väterliche Führsorge und kraft Ihres Machtwortes dieser barbarischen Sitte in Hinkunft Einhalt zu tun.' 12) Dieser Bitte kam der Kaiser, allerdings erst Kaiser Karl, durch einen Armee- und Flottenbefehl am 4. November 1917 nach: 'Das Festhalten an alten Ueberlieferungen kann nicht dazu führen, daß wider bessere Ueberzeugung, wider göttliches Gebot und wider das Gesetz die Austragung von Ehrenkränkungen auch fernerhin der Geschicklichkeit im Waffengebrach überantwortet und dadurch dem blinden Zufall überlassen wird.' 13) Jemand , so ist dem Befehl weiter zu entnehmen, der sein Leben im Duell auf das Spiel setzt, handle nicht nur gegen göttliches Gebot und Gesetz, sondern auch gegen die Interessen des Vaterlandes, da die Kraft jedes Mannes zu dessen Verteidigung und später zu Wiederaufbau benötigt würde. Die Entscheidung in Ehrenangelegenheiten sei in Hinkunft durch militärische Ehrenräte zu gewährleisten. 13) In diesem Befehl ist deutlich die religiöse Überzeugung des Kaisers zu erkennen. Er stellt, neben pragmatischen Überlegungen, göttliche Gebote über überkommene Ehrbegriffe. Auch im bürgerlichen Leben ist der Ehrenschutz nicht mehr Sache der Beteiligten, sondern des geschriebenen Gesetzes. Die Antiduellliga kann man als eine Form der Zivilgesellschaft betrachten. Aufgrund der damaligen Struktur der Gesellschaft wurde sie von Adelskreisen gegründet und geführt. Text: AH Jux
1) Das Vaterland, 28.Juli 1900 Morgenblatt. 2) Enkel des Grafen Istvan Szechenyi. 3) Reichspost, 17.Dezember 1901. Die in der Zeitung gesperrt gedruckte Teile werde hier unterstrichen angeführt. 4) Die Zeit, 31.Mai 1908. 5) Die Waffen nieder!, 1988. Heft 5, 195. 6) (Neuigkeits) Weltblatt, 6.September 1902. 7) Neues Wiener Journal, 5.Dezember 1902. 8) Danzers Armee-Zeitung, 11.Dezember 1902. 9) Das Vaterland, 21.März 1903. 10) Neues Wiener Tagblatt, 20.Februar 1904. 11) Neue Freie Presse, 10.Februar 1913. 12) Eggenburger Zeitung, 27.Februar 1914. 13) Fremdenblatt, 10.November 1917. | ||
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