Nummer 4/2022
Ehre – Zweikampf und der Tod

Kein Jux! Gedanken über die Ehre und den Umgang mit Beleidigungen einst und jetzt, angeregt durch historische Zeitungsberichte über ein Duell.
In einem Eigenbericht der Ostdeutschen Rundschau wird von einem Pistolenduell zweier befreundeter Studenten berichtet. Der Jurist Heinrich Fuchs, ein inaktiver Bursch der Burschenschaft 'Albia Wien', 'Teutonia Prag' und 'Arminia Graz', wurde heute früh bei einem Pistolenduell (25 Schritte Distanz) vom Mediziner Ernst Teinitzer durch einen Kopfschuss getötet. Ursache soll ein Wirtshausstreit gewesen sein, der zu Handgreiflichkeiten ausartete.1) Soweit die deutschnationale Zeitung vom 21. März 1900.

Über die Hintergründe des Duells berichtet der Arbeiterwille: 'Zwei Studenten namens Fuchs und Teinitzer, die derselben Burschenschaft angehören, Busenfreunde, kommen im betrunkenen Zustand zum Raufen, ohrfeigen einander und haben am nächsten Tag, wie sie ihren Rausch ausgeschlafen, alle gegenseitigen Beleidigungen vergessen und vergeben.' 2) Ihre Burschenschaft erhält Kenntnis von der Ohrfeigenaffäre und zwingt die beiden Freunde zu einem Pistolenduell. Sie fügen sich die Beleidigungen zu sühnen und treten zum Duell an. Die ausgehandelten Bedingungen, dreißig Schritte Distanz und einmaliger Kugelwechsel, sowie der Gebrauch von Waffen mit ungezogenem Lauf, ließen mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit einen unblutigen Verlauf erwarten. Einer der Freunde kommt jedoch dabei zu Tode. Fuchs wurde mitten in die Stirne getroffen.3) Gegen den 'Sieger' und die Sekundanten, alle Mitglieder der Burschenschaft 'Arminia Graz', wird wegen des Verbrechens des Zweikampfes Anklage erhoben.

Am 22. März wurde das Opfer, unter starker Beteiligung studentischer Körperschaften, am Grazer evangelischen Friedhof begraben. Zahlreiche Honoratioren fanden sich unter den Trauergästen. Neben und hinter dem Sarg schritten Chargierte. Zahlreiche Kränze und Blumenspenden schmückten den Sarg. 'Der Kranz des Duellgegners trug die Widmung: 'Dem unvergeßlichen Freunde.' 4) Pfarrer Eckhart hielt eine tiefergreifende Trauerrede. Im Saale der Steinfelder Bierhalle wurde anschließend von den konservativen und wehrhaften Körperschaften eine Trauerfeier abgehalten, bei der ein med. Rupp sichtlich ergriffen eine Gedenkrede hielt: 'Wenn es etwas gebe, das den herben Schmerz über den Tod des Freundes zu lindern vermöge, sei es der Gedanke, daß das Leben nicht das höchste Gut des Mannes sei, sondern daß es für den Mann das Höchste sei, ehrenvoll gelebt zu haben. Dieses Bewußtsein sei der einzige Trost im schweren Schmerze. Hierauf wurde der Trauersalamander gerieben. Mit dumpfen Klange zerschellten die Gläser.' 4)

Dieser Ehrbegriff wurde nicht von allen geteilt. Die Trauerrede des Pfarrers bei der Beerdigung, von der Ostdeutschen Rundschau lediglich als tiefgreifend bezeichnet, dürfte durchaus kritisch gewesen sein. Das Grazer Volksblatt geht auf die Predigt des protestantischen Pastors näher ein: 'Wir sollen uns auch beugen vor dem Ernste, mit welchem Gott die unter uns herrschenden 'Sitten und Gebräuche', die zum Theile als ein mittelalterlicher Rest des längst als irrig erkannten Gottesgerichte in unsere Zeit hineintragen, verurtheilt.' 5) Die Schuld, so setzte der Pastor fort, sei nicht sosehr eine persönliche, sondern eine der Gesamtheit. Er müsse die Versammelten fragen, ob man erlittenem Unrecht mit Gewalt begegnen müsse. Als Christen wäre es, im Geiste des Evangeliums durchaus ehrenhaft, seinen Beleidigern zu verzeihen. 5)

Hier würde bereits ein Vaterunser reichen. Der Bericht über die Trauerrede des Pastors wurde in der Ostdeutschen Rundschau kleingehalten. Der Inhalt den Lesern verschwiegen. Um die Leser zu täuschen bedarf es hier keiner Falschmeldung (Fake), sondern es genügt Tatsachen und Inhalte zu verschweigen.

Auch von katholischer Seite erfolgten Reaktionen. In einer gut besuchten Predigt in der Stadtpfarrkirche behandelte Pater Freund das Thema Selbstmord und Duell. Das Duell, so der Prediger, sei von der katholischen Kirche immer als ein etwas an sich Schlechtes verurteilt worden. Viele Päpste, eingeschlossen Leo XIII. und etliche Konzilien, hätten dahingehend verbindlich Stellung bezogen. Auch weltliche Autoritäten, wie etwa Kaiser Joseph II. und König Friedrich II. von Preußen, stimmen hier mit kirchlicher Lehre überein. Im österreichischen Strafrecht zählt das Duell zu den Verbrechen und kann mit einer langen Kerkerhaft (bis zu 20 Jahren) bestraft werden. Die Behauptung, dass gekränkte Ehre das Duell fordere, weist der Prediger zurück, da der Zweck nicht das Mittel heilige. Die Predigt schließt mit einer Feststellung verbunden mit einem Hinweis: 'Übrigens ist das Duell gar nicht ein so wirksames Mittel zur wirklichen Rehabilitisierung der verlorenen Ehre. Gottes Geboten und den Satzungen der Kirche treu zu sein, auch in schwierigen Lagen – das ist wirklicher, ehrenvoller Heroismus.' 5)

Die Zeitschrift für ostmärkische Burschenschafter 'Wartburg' möchte die Angelegenheit nicht weiter erörtern. Dies sei Sache des Gerichtes. Sie wolle nur feststellen, dass Pistolenmensuren bei Ostmarkburschenschaften selten seien: 'Obwohl wir alle, ob jung oder alt, den Einsatz unseres Lebens gering achten, wenn es unsere Ideale gilt, halten wir unsere Ehre fast immer für besser und erfolgreicher gewahrt, wenn sie mit der blanken Waffe verteidigt wird.' 6) Der Tod des jungen Burschenschafters sollte dazu führen Regelungen bezüglich Zweikämpfe zu ändern. 'Dem Gefallenen aber Fiducit!' 6)

Nicht nur die Frage dieses unglücklichen Zweikampfes, sondern auch dessen rechtliche Verfolgung war höchst umstritten. Besonders die der gerichtlichen Verfolgung des Falles. Teinitzer wurde am 17. Mai auf freien Fuß gesetzt. In vielen Presseerzeugnissen wird darüber knapp berichtet. Die katholische Reichspost meldet die Niederschlagung des Strafverfahrens: 'Die Duellanten sind gut daran, denn wenn sie auch ein Verbrechen begehen, dem sogar ein Menschenleben zum Opfer fällt, gehen sie dennoch straflos aus!' 7) Von einem 'Kaiserlichen Gnadenact' berichtet die liberale Neue Freie Presse. Dem Gnadengesuch der am Duell Beteiligten, beziehungsweise deren Eltern, wurde vom Kaiser entsprochen.

Der Arbeiterwille, die sozialdemokratische Parteizeitung der Steiermark, bietet am 28. Juni einen Rückblick. Dabei vergleicht sie die Taten der Söhne der 'oberen Zehntausend' 8) mit Verurteilungen Grazer Arbeiter bei den Maidemonstrationen. Die Studenten hätten eine 'kalte und pünktliche Abmachung' getroffen. Bei den Maidemonstrationen sei es zu Ausschreitungen gekommen, Fensterscheiben seien zu Bruch gegangen und eine Frau hätte eine Fehlgeburt erlitten. Die verurteilten Arbeiter wurden aufs Geratewohl aus der Menge herausgegriffen und zu siebeneinhalb Jahren schweren Kerker verurteilt. Die Zeitung beklagt die vorherrschende Klassenjustiz.

Der Begriff Ehre ist schwer zu definieren. Man versteht darunter etwa den sittlichen und sozialen Wert einer Person oder einer Personengruppe. Es besteht ein Anspruch auf eine ehrenhafte Behandlung, der von der Rechtsprechung eingefordert werden kann (Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung usw.). In verschiedenen Kulturen und zu verschiedenen Zeiten wurden Verletzungen der Ehre auch durch Zweikämpfe oder Fehden bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen ausgetragen.

Heute gehört Beleidigtsein und Aufgeregtsein zu einer politischen Strategie. Political correctness dient als Instrument. Minderheiten begeben sich gezielt in eine Opferrolle und versuchen die Mehrheit damit zu manipulieren.

Text: AH Jux


1) Ostdeutsche Rundschau, 21. März 1900. S.8.
2) Arbeiterwille, 28. Juni 1900. S.2.
3) Salzburger Nachrichten, 23. März 1900. S.5.
4) Ostdeutsche Rundschau, 24. März 1900. S.3.
5) Grazer Volksblatt. 25. März 1900. S.3.
6) Grazer Tagblatt, 21. April 1900. S.3.
7) Reichspost, 17. Mai 1900. S.6.
8) Arbeiterwille, 28. Juni 1900. S.2.
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blech-bote@aon.at

zuletzt geändert: 12.04.2022 um 21.25 Uhr