Nummer 4/2022 | ||
Verkehrt-Politik
Nein, das ist kein Tippfehler, sondern Absicht. In diesem Beitrag geht es nämlich darum, dass in der Umwelt- und Verkehrspolitik nach Ansicht des Autors vieles verkehrt läuft.
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Seit Jahren wird – völlig zu Recht – weltweit darüber diskutiert, was man für einen besseren Schutz der Umwelt alles machen könnte. Klimaziele werden vereinbart, an denen sich gar nicht alle Länder beteiligen und die von anderen nicht eingehalten werden. Insbesondere die CO2-Emissionen sollen in den nächsten Jahr(zehnt)en komplett kompensiert werden, weil Kohlendioxid als Hauptverursacher für die klimaschädlichen Treibhausgase gilt. So weit, so gut. Aber die praktische Umsetzung schaut vielerorts anders aus. Statt Energie zu sparen werden Emissionszertifikate von anderen Staaten gekauft, um den ökologischen Fußabdruck klein zu halten. Auch Unternehmen können sich von Umweltsünden im Inland freikaufen, wenn sie dafür irgendwo in der dritten Welt ein paar Ersatzbäume pflanzen lassen. Und am 'wichtigsten' ist (zumindest für die Politik) das Umweltbewusstsein der Bevölkerung zu fördern und die Haushalte zum Energiesparen zu motivieren. Es ist schon richtig, dass jeder dazu etwas beitragen kann, aber insgesamt beträgt der Anteil der CO2-Emissionen von privaten Haushalten nur rund 20%, wovon fast die Hälfte auf die Beheizung bzw. Kühlung von Wohnungen entfallen und nur etwas mehr als 10% auf den Individualverkehr. Die größten Umweltverschmutzer sind dagegen die Warenproduktion, der Bergbau und die Energieerzeugung. Und hier müsste der Hebel wirklich angesetzt werden.
Prinzipiell ist es positiv zu bewerten, wenn sich die Jugend der Umweltproblematik bewusst ist und wenn sie Maßnahmen fordert. Allerdings halte ich Freitags-Demonstrationen statt Schulunterricht für den falschen Weg, um die Verantwortlichen auf den richtigen Weg zu bringen. Hier wäre wirklich ein Umdenken bei jedem einzelnen erforderlich. Die Wirtschaft ist darauf ausgelegt immer mehr Waren zu produzieren und zu verkaufen, um die eigenen Gewinne zu maximieren und so nebenbei auch den Staatshaushalt zu fördern. Die Werbung wird dazu verwendet, um dort Bedürfnisse zu wecken, wo es gar keinen notwendigen Bedarf gibt. Das Beste für die Industrie und den Handel ist, dass sie bei der Jugend oft sogar auf kommerzielle PR verzichten können, weil 'Influencer' ihre 'Follower' mittels soziale Plattformen, welche von diesen freiwillig konsumiert werden, mit den neuesten Produkten konfrontieren und damit die Bedürfnis-Spirale ankurbeln. Beispiel gefällig? Das Handymodell vom Vorjahr würde sicher noch drei Jahre funktionieren, aber das allerneueste ist doch noch besser und viel schicker, oder? Dafür sind aber u.a. zusätzliche Rohstoffe (z.B. seltene Erden) und Energie für die Produktion erforderlich, die man einsparen könnte, wenn man zumindest eine Zeitlang auf etwas verzichtet. Nebenbei sei erwähnt, dass natürlich auch durch die ständige Nutzung der Handys und sonstigen IT-Geräte sowie von Internet-Suchmaschinen Unmengen an Energie verbraucht wird. (Das soll aber natürlich niemanden davon abhalten diesen Artikel bzw. den Blech-Boten zu Ende zu lesen!) Ein weiteres Problem ist, dass zur Profitmaximierung eine Vielzahl von Arbeitsleistungen oder gleich ganze Produktionsstätten in billigere Länder ausgelagert werden. Dadurch kommt es in der Folge zu jeder Menge theoretisch vermeidbarer Warentransporte, welche die Umwelt belasten. Aber nicht nur Güter werden um die halbe Welt verfrachtet, auch viele Menschen wollen meist in kurzer Zeit möglichst weit verreisen. So werden ganze Kleinstädte auf einen Schiffsrumpf gebaut, um als fahrbares Hotel möglichst viele Touristen von Hafen zu Hafen zu schippern und dabei die Weltmeere zu verschmutzen. Wahrscheinlich ist der Begriff 'Kreuzfahrten' gar nicht so unpassend, weil schließlich auch die Kreuzfahrer im Mittelalter nicht wirklich das Seelenheil brachten bzw. bewahrten, sondern vor allem auch große Landstriche und fremde Städte verwüsteten und zerstörten. Doch zurück zur Gegenwart. So mancher, dem eine Schifffahrt zu beschaulich ist, 'jettet' lieber zum 'Shopping' – meist für wenige Tage oder gar nur Stunden – ins Ausland. Aufgrund des Wettbewerbs der Fluglinien sind derartige Flugreisen mitunter billiger als eine längere Autofahrt im Inland, was unter anderen auch darauf zurückzuführen ist, dass – im Unterschied zu anderen Treibstoffen – für Kerosin weder Mineralöl-, noch Umsatzsteuer zu bezahlen ist. Besonders bedenklich ist die Tatsache, dass die Airlines selbst zu Zeiten des extrem eingeschränkten Reiseverkehrs infolge der Pandemie aus EU-rechtlichen Gründen zumindest einen Teil ihrer Maschinen sogar ohne Passagiere in die Luft schicken mussten, um mit den leeren Fliegern die gebuchten Slots für Start- und Landerechte aufrecht zu halten. Im Inland entfällt wohl der Großteil des privaten Treibstoffverbrauchs auf die Pendler. Daher gab es in Anbetracht der aktuell stark gestiegenen Energiepreise einen Aufschrei von Arbeiterkammer und Gewerkschaft, dem die Regierung willfährig folgte: Das Pendlerpauschale wird für ein Jahr um 50% angehoben und der sogenannte Pendlereuro gleich vervierfacht! Kein Wunder, dass das vor allem dem grünen Koalitionspartner Kritik einbringt, da uns diese Förderung der Umweltverschmutzung nicht nur einen Haufen Steuergeld kostet, sondern obendrein der Wirtschaft schadet und uns von unseren ökologischen Zielen weiter entfernt. Dabei trifft die Benzinpreiserhöhung für die Fahrt zur Arbeit primär jene Menschen, die in abgelegenen und dafür sehr preisgünstigen Gegenden wohnen und sich daher bei den Wohnkosten weit mehr ersparen, als die (gestiegenen) Treibstoffpreise ausmachen (vgl. dazu Blech-Bote 4/2021, 'Wohnen im Grünen'). Apropos 'wohnen': Obwohl die Mietpreise in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind, zählt Wien im internationalen Vergleich trotz der laut verschiedenen Studien hohen Lebensqualität bei weitem nicht zu den teuersten Städten Europas, sondern ist – wie sogar der rote Finanzstadtrat zugeben muss – 'um bis zu 40 Prozent günstiger als anderswo'.*) Außerdem ist ein Teil dessen, was von Verbrauchern üblicherweise unter den Begriff Wohnkosten subsumiert wird, auf die ständig steigenden Betriebs- und insbesondere Energiekosten zurückzuführen. Nachdem die aktuelle Ukraine-Krise die enorme Abhängigkeit Österreichs von russischem Erdgas in Erinnerung gerufen hat, beginnt – viel zu spät – ein Umdenken und sie Suche nach Auswegen. Schon zuvor hat, nicht zuletzt wegen der oben erwähnten Klimaziele, der Trend zu Elektroautos begonnen, der jetzt noch verstärkt wird. Also wird man in Zukunft noch mehr 'saubere' Elektrizität benötigen und ist dann vermeintlich vom Erdgas und anderen fossilen Brennstoffen unabhängig – wie man fälschlicherweise glaubt. Die Realität sieht anders aus, wie wir auf unseren Buden auf den eigenen Konten verspüren. Vor etwa zwei Jahren haben sich die beiden Chargen-Convente Gedanken über die günstigste Energieversorgung gemacht und sind dabei zu unterschiedlichen Lösungen gekommen. Während die eine Verbindung einen Float-Cap-Tarif für mehrere Jahre mit einer fixen Preisobergrenze von 2,69 Cent/kWh gewählt hat, hat sich die andere für einen variablen und unbegrenzten Float-Tarif entschieden und wollte nach Ablauf der Bindungsfrist prüfen, ob es eine günstigere Lösung gibt. Mittlerweile ist der Erdgastarif auf mehr als 16,65 Cent/kWh gestiegen – beträgt also mehr als das Sechsfache (!) – und ein Wechsel zu einem anderen Anbieter ist derzeit praktisch nicht möglich. Der Preisanstieg betrifft aber nicht nur das Gas, sondern auch den Strom. Während Preisabsprachen in der Privatwirtschaft verboten und strafbar sind, verbietet ein Gesetz den Stromerzeugern ihr Produkt billiger anzubieten, als die Kosten des teuersten Erzeugers – und das sind derzeit die Erdgas-Kraftwerke die zur Abdeckung des Verbrauchs in Spitzenzeiten benötigt werden. So kann sich der Verbund über hohe Gewinne freuen und die Konsumenten schauen durch die Finger. Zum Wohnen und Energiesparen geht man in Wien wieder einmal besonders eigentümliche Wege. Obwohl es bereits ein Überangebot von Wohnungen gibt und allerorts vor der weiteren Versiegelung von Grund und Boden dringend gewarnt wird, wird in Wien sowohl von privaten Bauträgern, als auch von der öffentlichen Hand fleißig weitergebaut, sofern das die aktuelle Materialknappheit zulässt. Das Ziel ist offenbar durch ein großes Überangebot den Wohnungsmarkt zu ruinieren, um dadurch die erzielbaren Mieten zu senken. Stattdessen sollte man sich besser den Zweck des sozialen Wohnbaus vor Augen führen und alle Bonzen und andere Großverdiener aus den preisgünstigen Gemeindebauten ausmieten, dann wären ausreichend billige Wohnmöglichkeiten für sozial Schwächere vorhanden. Bei den Neubauten und auch in manchen anderen Gebieten wird überdies auf eine angebliche Verkehrsberuhigung geachtet, indem man den Verkehr innerhalb der Anlagen oder bestimmter Grätzel einschränkt. Das hat zur Folge, dass die Umgebung noch mehr leidet und auch Lieferanten mit schweren Paketen oft lange Fußwege bis zu den Empfängern zurücklegen müssen. In Bern gibt es ein ähnliches Projekt, bei dem neue Wohnungen aber – anders als bei uns – nur mehr an Mieter vergeben werden, die sich verpflichten auf ein eigenes Auto zu verzichten, um die Verkehrsbelastung in der Stadt zu reduzieren. Dieses Modell kommt für die Roten im Wiener Rathaus jedoch angeblich nicht in Frage, weil es angeblich schwierig zu überwachen sei. Stattdessen wurde Anfang März die Kurzparkzone beinahe flächendeckend auf ganz Wien ausgedehnt, damit die Park-Sheriffs noch bessere Möglichkeiten haben zur Stopfung der Löcher im Stadtbudget beizutragen. Für die Bezirke innerhalb des Gürtels ändert sich zwar nichts, aber es bleibt bei dem unbefriedigenden Umstand, dass man als Normalbürger sein Auto nirgends mehr gratis abstellen darf. Zusätzlich wird ein Teil der Parkplätze z.B. für Anrainerzonen, Stromtankstellen oder Leihautos reserviert oder gleich in Radwege umgebaut, so dass man trotz der Kurzparkzone in manchen Gebieten – wie im Umkreis unserer beiden Buden – manchmal nur sehr schwer einen freien Parkplatz findet. Darüber hinaus ist die Parkzeit jetzt überall bis 22 Uhr mit zwei Stunden begrenzt, weshalb unsere Veranstaltungen schon seit längeren immer erst um 19:45 c.t., als de facto um 20 Uhr beginnen, damit unsere Besucher mit der maximal zulässigen legalen Parkdauer auskommen. Wenn man aber von auswärts wochentags z.B. zu einem (Familien)Besuch am Nachmittag kommt, wird die Zeit meist zu knapp. Besonders ärgerlich ist, dass Wien-Bewohner die sich einen eigenen Parkplatz anstelle eines weit billigeren Parkpickerls leisten damit bestraft werden, dass sie ihr Fahrzeug nicht einmal im eigenen Bezirk gratis auf öffentlichen Grund abstellen dürfen, während jene, die den billigeren öffentlich Raum zum Abstellen nutzen zumindest im Wohnbezirk bei ihren Erledigungen auf Kurzparkscheine verzichten können. Und die öffentlichen Verkehrsmittel sind oft auch keine geeignete Alternative, wenn Start und Ziel nicht direkt an einer Hauptverbindung liegen. Außerdem ist der Anreiz zur Nutzung der Öffis in Wien wesentlich geringer als im – zugegeben viel kleineren – Graz. Dort ist die Benützung der Straßenbahnen im Zentrum gratis und außerhalb erhalten Personen mit Hauptwohnsitz in der steirischen Landeshauptstadt die Jahreskarte billiger als Einpendler. Text: DDr.cer. Raffael
*) Laut Kurier vom 9.4.2022, S. 18 | ||
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