Nummer 4/2021 |
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Wohnen im Grünen
Vor vierzig Jahren landete ein damals noch junger österreichischer Liedermacher seinen ersten Hit mit einem Lied über eine 'Zweierbeziehung' in dem es
unter anderen heißt: 'Für ein grünes Wien, so ein Bledsinn!' Und wie schaut es mit Grün in der Stadt heute aus? |
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ehemaliges Turmglashaus im Kurpark Oberlaa Besonders im Frühjahr und Sommer genieße ich, dass ich seit ein paar Jahren ein Häuschen am südlichen Stadtrand von Wien mit einem kleinen Garten habe. Und nur wenige Schritte entfernt kann ich durch große öffentliche Parks spazieren oder mit dem Fahrrad auf Wegen durch Felder und Weingärten radeln. Das war nicht immer so. Früher habe ich lange Zeit in einer Wohnung mitten in der Stadt, in der Nähe meines Arbeitsplatzes und zur Bude, gelebt. Und obwohl diese Wohnung nicht etwa in einem Botschaftsviertel, sondern in einem Arbeiterbezirk lag, war sie wesentlich teurer als ein vergleichbares Objekt in einem der großen Außenbezirke oder gar ein Haus das z.B. 50 oder mehr Kilometer außerhalb der Großstadt steht. Eigentlich schön dumm von mir, wenn man bedenkt, dass Pendler die von auswärts mit dem Auto in die Stadt fahren, für diese Umweltverschmutzung sogar noch mit dem Pendlerpauschale belohnt werden, obwohl sie sich beim Wohnen weit mehr Geld ersparen, als die höheren Fahrkosten ausmachen. Aber ich gebe zu, dass ich mich nicht primär aus Gründen des Umweltschutzes, sondern wegen der Bequemlichkeit und wegen der Zeitersparnis beim täglichen Weg zur Arbeit (der mir mittlerweile erspart bleibt) damals für das Wohnen in Zentrumsnähe entschieden habe. Heute gibt es immer mehr Projekte, welche die Vorteile des Wohnens in der Stadt bzw. im Grünen miteinander verbinden wollen. In den sogenannten Stadtentwicklungsgebieten wurden und werden nämlich nicht nur am Stadtrand, sondern auch z. B. beim Gürtel, in der Nähe des Hauptbahnhofs, sogenannte Supergrätzel errichtet. Diese orientieren sich an den Superblocks der am Reißbrett geplanten Stadt Barcelona und zeichnen sich dadurch aus, dass der innere Bereich dieser Stadteile begrünt und für den motorisierten Verkehr gesperrt ist. Diese Idee klingt vielversprechend und ist in Wirklichkeit (abgesehen von der Bezeichnung) auch nicht neu. Es gibt in Wien schon lange nicht nur große Gemeindebauten, sondern auch zahlreiche andere Anlagen die ähnlich konzipiert sind. Und von dort sind mir persönlich auch einige Schattenseiten bekannt, die von den umweltbewussten Politikern gerne verschwiegen werden. Des einen Freud‘ ist ja bekanntlich des anderen Leid. Ich wohne in einer Gasse in der es nur Ein- bzw. Zweifamilienhäuser gibt und deren Anrainer ihre Fahrzeuge alle auf dem eigenen Grundstück abstellen. Angrenzend befindet sich eine ältere und eine neue verkehrsberuhigte Reihen- bzw. Wohnhausanlage, die jeweils über eigene Tiefgaragen verfügen. Dennoch ist es für Gäste kaum möglich in unserer Gasse einen der zahlreichen Parkplätze auf öffentlichen Grund zu ergattern, weil diese insbesondere an Abenden und Wochenenden permanent von Bewohnern der benachbarten Supergrätzel, welche sich offenbar keinen Parkplatz in der eigenen Anlage leisten wollen, in Beschlag genommen werden. Umgekehrt finde auch ich keinen Parkplatz, wenn ich in Transdanubien Verwandte besuche, die in einer verkehrsfreien Reihenhaus-Anlage wohnen, welche an eine Einfamilienhaus-Zone angrenzt. Aber das ist nicht der einzige Nachteil. Innerhalb der Superblocks muss man relativ weite Strecken zu Fuß zurücklegen, um zu einer außerhalb gelegenen Öffi-Station oder durch zahlreiche Brandschutztüren zu dem im Untergrund versteckten Parkplatz des eigenen Autos zu gelangen. Das mag ja ein willkommener und gesunder Ausgleich zu der meist sitzend verrichteten Tagesarbeit sein, ist aber höchst unbequem, wenn man einen Großeinkauf oder eine größere Menge Urlaubsgepäck vom oder zum Fahrzeug transportieren will. Und außerdem wird niemand jünger. Von körperbehinderten Menschen einmal abgesehen, kenne ich genügend Personen, die mit fortgeschrittenem Alter aus gesundheitlichen Gründen nur mehr eingeschränkt gehfähig sind. Manchen davon ist die Teilnahme an z.B. einem Familientreffen nur möglich, wenn sie von einem Taxi oder von Angehörigen mit dem Auto beim Haustor abgeholt und direkt zum anderen Haustor gebracht werden. Besuche in einer dieser verkehrsfreien Wohnanlagen sind dadurch so gut wie ausgeschlossen. Und auch Nahversorger sind in diesen Blocks oft nicht vorhanden, weshalb man zum Einkaufen wie am Land meist auf ein Fahrzeug angewiesen ist. In Wien gibt es auch noch eine andere Form des Wohnens im Grünen: Die Kleingarten-Siedlungen. Nicht alle liegen am Stadtrand in Grünruhelagen, manche davon sind auch zwischen großen Häuserblocks eingebettet, welche zu späterer Zeit rundherum errichtet wurden. Eines haben jedoch alle dieser Siedlungsanlagen, die ich kenne, gemeinsam: Nicht nur die einzelnen Parzellen sind mit oft blickdichten Zäunen eingegrenzt, um sich vor den Augen der Nachbarn zu schützen, auch die ganzen Anlagen sind in der Regel von einem Außenzaun umgeben und können nur von den Berechtigten durch versperrbare Tore betreten werden. Daher müssen die Bewohner der mittlerweile oft ganzjährig bewohnbaren Häuser ihre Besucher bei jedem Wetter beim Eingangstor der Kleingarten-Anlage abholen und verabschieden. Fremden bleibt das Spazierengehen innerhalb der Siedlung zumeist verwehrt, obwohl diese Grundstücke der Gemeinde – also eigentlich allen – gehören und von den Kleingärtnern nur gepachtet sind. Seltsamerweise scheint das aber niemanden zu stören, wohingegen die Anrainer von innerstädtischen Privatgrundstücken, wie dem Palais Auersperg oder dem Palais Schwarzenberg die Öffnung der ehemaligen Schlossparks für die Allgemeinheit fordern. Eine andere Art der Stadtbegrünung, die im Zeichen des Umweltschutzes als Mittel gegen die Klimaerwärmung propagiert wird, ist das sogenannte 'Vertical Gardening'. Dabei geht es insbesondere um die Begrünung von Fassaden, welche von der Stadt Wien auch gefördert wird. Sogar die Landwirtschaft soll beim 'Urban Farming' sparsam mit der wertvollen Ressource Boden umgehen, indem die Anbauflächen übereinander gestapelt werden. Eine neue Idee? Mitnichten! Schon bei Wiener Internationalen Gartenschau (WIG) 1964 im Donaupark wurde das erste Turmglashaus Wiens präsentiert, welches schon lange nicht mehr existiert. Es war ein ca. 40 Meter hoher, runder Glasturm in dem die Blumenbeete wie in einem Paternoster auf und ab fuhren. Bei der WIG 1974 am Gelände des heutigen Kurparks Oberlaa wurde ebenfalls ein Turmglashaus aufgestellt und auch dieses geriet schon bald in Vergessenheit und ist nur mehr eine Ruine. Obwohl im Bezirk schon seit einigen Jahren von der Sanierung und Revitalisierung dieses Schandflecks gesprochen wird und andernorts mit viel Werbeaufwand Fassaden begrünt werden, ist mit dem Objekt im Kurpark leider noch nichts geschehen, wie das obige, aktuelle Foto beweist. Text: DDr.cer. Raffael
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