Nummer 3/2021
'Urbi et orbi'

Zu Ostern segnet der Papst alljährlich die Stadt (Rom) und den (Erd)Kreis. Üblicherweise nehmen an dieser Feier am Petersplatz zehntausende Gläubige aus aller Welt teil. Doch auch heuer wird es wieder anders sein.
'Kirche ist Gemeinschaft derer, die glauben' heißt es in einem 'modernen' Gottesdienst-Lied der Gemeinde St. Thekla, in deren Gebiet unsere Bude liegt. Aber gerade diese Gemeinschaft ist seit mehr als einem Jahr in der Realität kaum mehr spürbar. Und das gilt nicht nur für die Kirche, sondern auch für alle anderen Gemeinschaften, wie z.B. Studentenverbindungen. Ich erinnere mich gerne an meine couleurstudentischen Anfänge als Schüler und Student. Damals war es ein lustiger Brauch bei besonderen Gelegenheiten im Inoffizium eine Liesl oder einen Stiefel kreisen zu lassen. Auch bei der Landesvater-Zeremonie oder bei einer Trauerkneipe war es üblich, einen Schluck aus einem gemeinsamen Glas zu trinken, wodurch die Verbindung (= Gemeinschaft) innerhalb der Verbindung (= Korporation) besonders deutlich zum Ausdruck kam. Derart 'archaische' Rituale, die fallweise noch zu Beginn des vorigen Jahres gepflegt wurden, erscheinen uns heute undenkbar. Sogar statt einander die Hände zu reichen, beschränken wir uns auf ein höfliches Zunicken oder maximal einen Faust- bzw. Ellbogen-Gruß. An ein freundschaftliches Umarmen oder Abbusseln von Freund(inn)en brauchen wir sicher noch lange gar nicht zu denken, was dem Vernehmen nach zumindest manchen Damen sehr angenehm sein soll. Aber man(n) wird bescheiden und wir freuen uns schon darauf, wenn endlich wieder Versammlungen von mehr als vier Personen erlaubt und somit auch Veranstaltungen auf der Bude wieder möglich sind, um die Gemeinschaft mit Bundes- und Kartellbrüder und –schwestern zu pflegen. Die virtuellen Treffen sind dafür ein höchst unzureichender Ersatz, da sie nicht nur viele ältere Philister, insbesondere jene die beruflich noch keinen Kontakt zu Computern hatten, ausschließen, sondern auch manche jüngere Bundesbrüder nach einem Tag im Homeoffice nur wenig Lust darauf haben, auch noch den Abend vor dem PC zu verbringen.
Doch nun zurück zur Gemeinschaft der Gläubigen. Ich persönlich habe diese erst nach meiner Hochzeit so richtig erlebt, nachdem wir in das Gebiet der damaligen Pfarre 'Königin des Friedens' *) gezogen sind. Dort wurden wir nicht nur herzlich aufgenommen, sondern nach einiger Zeit auch zur Mitarbeit eingeladen. Unter anderem hat der damalige Pfarrer (der später als Bb Angelus Ehrenmitglied Carolinas wurde), meine Gattin und mich gemeinsam mit einigen anderen Pfarrangehörigen, nach einer entsprechenden Ausbildung in der Erzdiözese, mit der Kommunionspendung beauftragt. Mit einigen Freunden von damals sind wir nach mehr als 30 Jahre und zweimaliger Übersiedlung weiter in regelmäßigen Kontakt, wenngleich auch dieser derzeit teilweise nur auf virtuelle Treffen beschränkt ist. Eine ähnliche Gemeinschaft erlebten wir in St. Thekla, wo wir u.a. die Kommunionspendung weiter ausüben durften. In der Karwoche übernahm ich gerne den Dienst am Gründonnerstag, an dem allen Messbesuchern die Kommunion in beiderlei Gestalt angeboten wurde. Obwohl nicht nur die Priester, sondern zumeist auch einige Gläubige direkt aus dem Kelch tranken – anstatt nur ihre Hostie in das Blut Christi einzutauchen, wie das mittlerweile weit verbreitet ist – und die Kommunionspender oft als Letzte den Rest austrinken durften, habe ich (ebenso wenig wie beim gemeinsamen Umtrunk auf der Bude) früher nie erlebt bzw. davon gehört, dass dabei Krankheiten übertragen wurden. Seit dem Vorjahr ist diese Form der gemeinsamen Kelchkommunion, die an das letzte Abendmahl erinnern soll, bei dem Jesus laut dem Evangelium nach Matthäus gesagt hat: 'Trinkt alle daraus, das ist mein Blut …' jedoch leider nicht mehr möglich.
Obwohl die aktuellen Infektionszahlen weit höher sind als vor einem Jahr und in der Ostregion ein strenger Oster-Lockdown geplant ist, soll das heurige Osterfest laut meinen derzeitigen Informationen (Stand Palmsonntag, 28.3.2021) dennoch nicht ganz so trostlos ausfallen wie 2020, als sämtliche Messfeiern nur hinter verschlossenen Kirchentüren stattfinden durften. Sofern nicht mit der nächsten Verordnung, welche für 1. April angekündigt wurde (leider kein Scherz), überraschende Änderungen bekanntgegeben werden, können Gottesdienste nach Voranmeldung bzw. mit Zählkarten und unter Einhaltung der üblichen Sicherheitsvorschriften wie Abstand und FFP2-Maske besucht werden. Auf direkten Körperkontakt wie den Friedensgruß, die oben erwähnte Kelchkommunion oder eine Berührung des Kreuzes am Karfreitag und sogar auf das Singen muss bei uns weitgehend verzichtet werden. Obwohl in Italien gerade besonders viele Krankheitsfälle zu verzeichnen sind, wird es im Vatikan trotzdem möglicherweise etwas lockerer zugehen. Da fast alle Bewohner des Vatikanstaates dem Vernehmen nach bereits geimpft sind, dürfen sie vermutlich auch an den Gottesdiensten teilnehmen. Voriges Jahr verkündete der Papst seinen Ostersegen nicht wie üblich von der Loggia des Petersdoms, sondern in der menschenleeren Basilika vor einigen TV-Kameras, welche seine Ansprache in alle Welt übertrugen. Aber nach der Lehre der katholischen Kirche soll der Segen ja auch jenen Gläubigen einen vollkommenen Ablass ihrer Sündenstrafen gewähren, die ihn über Rundfunk oder Internet empfangen.
Den Worten 'urbi et orbi' zufolge, gilt der Segen der gesamten Erde, also wohl auch allen Menschen, ungeachtet derer Religion oder Weltanschauung. Eine explizite Segnung gleichgeschlechtlicher Paare lehnt der Vatikan hingegen – trotz Toleranz für homosexuelle Partnerschaften – weiterhin ab, weil Gott eine Sünde nicht segnen könne. Diese Aussage des Papstes sorgte kürzlich nicht nur bei Schwulen- und Lesben-Initiativen, sondern bis hinauf in höchste (erz)bischöfliche Kreise für Aufregung oder zumindest für Bedauern, welches ich nicht verstehe. Ich finde es schlimm genug, dass sich der angebliche Rechtsstaat von Minderheiten dazu nötigen lässt, das jahrtausendealte Institut der Ehe, unter dem zumindest im christlichen Europa eine auf Dauer angelegte Beziehung zwischen Mann und Frau zu verstehen ist, aufzuweichen. Wer gibt Andersdenken das Recht, auch von der Kirche eine Anpassung der Sakramente an zeitgeistige Strömungen zu verlangen? In anderen Lebensbereichen werden Regeln ja auch als Selbstverständlichkeit hingenommen. Oder ist z.B. schon jemand auf die Idee gekommen, dass Schiedsrichter in Österreich unter dem Druck der Fußballfans auf die Anwendung der international gültigen Abseitsregel verzichten sollen? Beim Profi-Fußball (und bei Moslems) ist Homophobie übrigens ganz 'normal'. Im Unterschied zu Spielerinnen von Frauenmannschaften bekennt sich bei den männlichen Spielern angeblich keiner zur Homosexualität, obwohl es statistisch nahezu unmöglich ist, dass kein einziger Fußball-Profi schwul ist.
Es wäre (nicht nur zu Ostern) ein Segen, wenn alle Menschen einander gegenseitig so akzeptieren und respektieren wie sie sind und in Frieden miteinander leben, anstatt anderen Mitmenschen und Organisationen ihre eigene Meinung aufzwingen zu wollen.

Text: DDr.cer. Raffael


*) Die Friedenskirche in der Quellenstraße, welche jetzt zur Pfarre 'Göttliche Barmherzigkeit' gehört, geht auf ein Gelöbnis Kaiser Karls aus dem Jahr 1917 zurück. Das Bauwerk, welches erst 1934 gebaut und 1935 eingeweiht wurde, ersetzte die im Jahr 1922 errichtete, gleichnamige Notkirche. Wie ein Foto in der Festschrift anlässlich '50 Jahre Friedenskirche' belegt, waren bei der Grundsteinlegung auch Chargierte (einer leider nicht identifizierbaren) Korporation dabei. Vor der Errichtung der Notkirche wurde das damals noch dünn besiedelte, sogenannte 'Triesterviertel' von der Pfarre 'St. Elisabeth', welche heute so wie St. Thekla der 'Pfarre zur Frohen Botschaft' angehört, seelsorglich mitbetreut.
Kontakt für allfällige Rückmeldungen:
blech-bote@aon.at

zuletzt geändert: 30.03.2021 um 20.26 Uhr