Nummer 10/2020
Diskriminierung andersrum

Immer wieder beschweren sich Atheisten und Andersgläubige über christliche Symbole in unserer Gesellschaft, wie z.B. Kreuze in Schulen. Unsere religiösen Feiertage – egal, ob Allerheiligen, die Weihnachtsfeiertage oder andere – werden aber gerne von allen in Anspruch genommen.
Die meisten Menschen, die in Familien oder anderen Gemeinschaften mit mehreren Kindern aufwachsen, lernen es schon von klein auf: Das kleinere Kind sekkiert das größere und wenn dieses sich wehrt, beginnt das arme Kleine zu weinen, worauf der oder die Große zu Unrecht eine Moralpredigt erhält, während sich das Geschwisterchen grinsend hinter Mamas Rockzipfel versteckt. In der Welt der Großen geht es – z.B. in Bezug auf Religionen – nicht viel anders zu.
Seit Jahrhunderten galt Europa als christliches Abendland, auch wenn sich Katholiken und Protestanten zeitweise gegenseitig die Köpfe einschlugen. Die Bürger hatten bei der Religionsausübung dem Vorbild Ihres Landesvaters zu folgen, weshalb in Österreich unter den Habsburgern die römisch-katholisch Kirche zumeist de facto als Staatskirche angesehen wurde. Erst unter Joseph II. wurde (früher als in den meisten anderen Ländern) den Protestanten und Orthodoxen durch das Toleranzpatent aus dem Jahre 1781 die private Religionsfreiheit zuerkannt. Und Kaiser Franz Joseph gestattete schließlich mit dem Staatsgrundgesetz vom Dezember 1867 auch Angehörigen des Judentums und des Islam die volle Glaubensfreiheit. Damit verbunden war die Anerkennung der allgemeinen bürgerlichen und politischen Rechte für Mitglieder aller gesetzlich anerkannter Kirchen, sofern durch die Religion die staatsbürgerlichen Pflichten nicht verletzt werden, also die Religion nicht über die staatlichen Gesetze gestellt wird, wie das die heutigen Islamisten fordern bzw. tun. Den österreichischen Juden wäre daher vermutlich viel erspart geblieben, wenn man die Monarchie nicht abgeschafft hätte.
Infolge der Anerkennung anderer Religionen gab und gibt es in unserem Land auch jüdische und islamische Friedhöfe. Manchmal spaziere ich rund um Allerheiligen auch durch den alten jüdischen Friedhof am Wiener Zentralfriedhof, der von israelitischen Kultusgemeinde mehr schlecht als recht gepflegt wird, obwohl meines Wissens auch die öffentliche Hand einen nicht unerheblichen jährlichen Beitrag 'zur Wiedergutmachung' leistet. Viele Grabsteine sind umgestürzt und zahlreiche Gräber sind von Pflanzen überwuchert. Dennoch bleiben die Grabstellen erhalten, da es im Judentum verboten ist Grabstätten zu verlegen oder gar aufzulassen. Dagegen wäre an sich nichts einzuwenden, wenn für Angehörige anderer Religionen die gleichen Rechte gelten würden. Dies ist aber nicht der Fall. Für ein christliches Grab muss man die Grabrechte für einen gewissen Zeitraum, in der Regel 10 Jahre, erwerben und danach verfällt der Anspruch, wenn er nicht gegen neuerliche Bezahlung verlängert wird. Das war aber nicht immer so. Früher – zumindest noch in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts – konnte man auch Gräber auf Friedhofsdauer erwerben. Wenn jedoch bauliche Mängel auftreten, die z.B. mangels lebender Angehöriger nicht behoben werden, wird von der Wiener Friedhofsverwaltung die Widmung auf Friedhofsdauer aberkannt und das Grab abgetragen. Diese Enteignung von Toten ist ein glatter Betrug an den seinerzeitigen Grabkäufern (die sich dagegen natürlich nicht mehr zu Wehr setzen können) und eine eindeutige Diskriminierung von Nicht-Juden!
Ähnlich ist es bei den Feiertagen. Da in Österreich auch noch nach dem Untergang der Monarchie die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung der katholischen Kirche angehörte, wurde im Jahr 1933 im Vatikan ein Konkordat unterzeichnet, wodurch 8 (acht!) katholische Feiertage geschützt wurden. Das bedeutet, dass von den 13 gesetzlichen Feiertagen laut Bundesrecht, welche im Feiertagsruhegesetz 1957 geregelt sind, mehr als die Hälfte katholischen Ursprungs sind. Zusätzlich wurden für Evangelische und Altkatholische der Karfreitag und für Juden der Jom Kippur als arbeitsfreie Tage gewährt.
Diese bevorzugte Behandlung der 'armen, unterdrückten Minderheiten' wurde von der Mehrheit der Katholiken jahrzehntelang widerspruchslos akzeptiert. Und auch Anders- bzw. Ungläubige haben sich meines Wissens nie darüber beschwert, dass sie an den Feiertagen der Katholiken nicht arbeiten dürfen (siehe auch Artikel 'IN-Toleranz ist in' im Blech-Boten 8/2020). Erst im 21. Jahrhundert hat sich ein Atheist durch die Karfreitags-Regelung benachteiligt gefühlt und vom EuGH Recht bekommen. Deshalb sorgte im Vorjahr die Abschaffung des Karfreitag-Feiertags bzw. die Umwandlung in einen 'persönlichen Feiertag', der zu Lasten des Urlaubs angerechnet wird, für Unruhe. Andererseits wird aber die Diskriminierung der Mehrheit weiterhin fortgesetzt, weil der jüdische Feiertag, der formal anders geregelt ist, weiter als zusätzlicher arbeitsfreier Tag aufrecht bleibt.
Dabei wäre die Lösung eigentlich sehr einfach gewesen: Hätte man gleichzeitig mit dem Karfreitag auch den 8. Dezember (Maria Empfängnis), der von der Wirtschaft ohnedies schon lange als Einkaufstag im Advent genutzt wird, sowie den Jom Kippur als religiöse Feiertage abgeschafft und allen Menschen dafür einen echten, arbeitsfreien, persönlichen Feiertag gewährt, gäbe es keinerlei Diskriminierung – abgesehen davon, dass auch alle Nicht-Katholiken und sogar die agnostischen Atheisten weiterhin an den restlichen sieben katholischen Feiertagen frei hätten.
Als stillen Protest gegen die Diskriminierung der christlichen Handelsangestellten sollten wir auch heuer am 8. Dezember generell auf Einkäufe verzichten und diese auch nicht im Internet oder gar im benachbarten Ausland tätigen, wie das früher üblich war, als bei uns die Geschäfte noch geschlossen hatten.

Text: DDr.cer. Raffael

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zuletzt geändert: 05.12.2020 um 22.01 Uhr