Die Corona-Krise und der Gerstensaft
Bierakademische Notizen


Bier und Corona – diese Paarung bedeutete Freude für einen Couleurstudenten. Doch dann kam ein Virus. Ein persönlicher Bericht über Biergenuss, Brauereien und die Gastronomie in Pandemiezeiten.
Als Mitte März in ganz Österreich das Leben auf einen Notbetrieb reduziert wurde, haben mich viele Gedanken beschäftigt, aber einer definitiv nicht: Wie sich die Coronakrise auf das Bier auswirkt. Das lag vermutlich auch daran, dass dieser Zeitpunkt in die Fastenzeit fiel und ich mich dadurch in einer selbstauferlegten temporären Cerevisia-Abstinenz befand. Als das Osterfest zum Greifen nahe war und mein Gusto auf Hopfen und Malz immer stärker wurde, musste ich allerdings feststellen, dass sich der Coronavirus sehr wohl auf unser Kneipgetränk auswirkte.
Mit dem Zusperren der Wirtshäuser sind den Brauereien wichtige Abnehmer verloren gegangen und damit brach der Bierabsatz ein. Die Bierfreunde tranken zwar – wie mir ein Insider berichtete – privat wacker weiter, das konnte aber den Ausfall durch die Gastronomie nicht ausgleichen. Die Tanks in den Brauereien waren voll, die Wirtshäuser geschlossen – eine schlimme Verquickung, denn Bier hat ein Ablaufdatum! Ja, wirklich. Ich betone dies, weil ich schon viele Diskussionen diesbezüglich geführt habe, bei denen mir dann meist entgegnet wurde: Das Ablaufdatum ist ja kein Verfallsdatum, man kann Bier ohne weiteres auch danach noch trinken. Darauf kann ich nur sagen: Ja, das stimmt, sterben wird man daran nicht, aber schmecken tut’s nicht mehr. Wer jemals sein Lieblingsbier einmal ganz frisch und dann einmal Monate alt – und vielleicht auch noch schlecht gelagert – getrunken hat, wird mir zustimmen. Jedenfalls mussten die Brauereien einiges an Bier entsorgen, weil es alt und den Bierfreunden nicht mehr zuzumuten war.
Die Coronakrise zwang aber viele Brauereien auch dazu, aktiv auf ihre Kunden zuzugehen. Positiv hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang die Schremser Brauerei, die auch einem Kartellbruder gehört. Ein Freund gab mir den Tipp, dass Schremser Bier nunmehr in Wien bis zur Wohnungstür zugestellt wird. Nachdem ich dieses Bier mag und speziell das Schremser Kellerpils in Wien fast nicht zu bekommen ist, setzte ich eine SMS an die Bestellnummer ab und hatte innerhalb vom wenigen Minuten – der Zufall wollte es so – köstliches Bier vor der Wohnungstür stehen. Nach der Osternachtsfeier im Fernsehen feierte ich die Auferstehung mit frischem Waldviertler Gerstensaft, die Freude war doppelt groß. Es blieb auch nicht bei einer Lieferung, es folgten derer mehrere und das ungefilterte Kellerpils erfreute mich lange Zeit, getreu der Devise: Der kluge Mann schafft Vorrat an – und lagert sein Bier gut: im Keller, lichtgeschützt und bei gleichbleibend kühlen Temperaturen. Die Hauszustellung wurde mittlerweile leider eingestellt.
Ein Stichtag für uns alle war dann der 15. Mai, als die Wirtshäuser wieder aufsperren durften. Meine Freude war allerdings gepaart mit Skepsis, denn was sich in Schankanlagen, Bierleitungen und Zapfhähnen tut, wenn wochenlang kein Bier durchfließt, das will man lieber nicht wissen. Hellhörig wurde ich, als die Brauunion über die Medien verbreiten ließ, dass sie all ihren Vertragswirten gratis die Schankanlagen reinigen wird. Das Bewusstsein, dass Bierkultur in der Gastronomie untrennbar mit einer gepflegten Schankanlage zusammenhängt, ist offenbar bei vielen Wirten nicht wirklich angekommen. Viele Gastronomen bringen ohne Genierer widerliche Hanseln unter das Volk, ich habe da so meine Erfahrungen. So ging ich am 15. Mai mit gemischten Gefühlen zu einem kulinarischen Nahversorger und bestellte mir ein Krügerl. Die Freude war groß, das Ottakringer Zwickl schmeckte frisch und hopfig-bierig, so wie es sein sollte, die Zapfanlage war sicher gereinigt und gewartet. Ganz anderes widerfuhr mir ein paar Tage später in einem Beisl um‘s Eck: schale Hopfenbrühe, obendrein mit einem Bierfehler. Die Schankanlage hätte ein Service dringend nötig, denn so hat die Brauerei ihr Produkt definitiv nicht ausgeliefert.
Mit Neugierde verfolgte ich in den vergangenen Wochen, dass trotz aller widrigen Umstände zwei Brauereien neue Biere auf den Markt brachten. Wieselburger hat nunmehr auch ein Zwickl, das anlässlich des 250-jährigen Jubiläums der Brauerei kreiert wurde, im Produktportfolio. Die Stieglbrauerei wiederum präsentierte mit ihrem 'Stiegl Hell' ein Bier, dessen Name einerseits auf die Biercharakteristik und andererseits auf die englische Bezeichnung für Hölle anspielt. Man wird sehen, wie lange sich die beiden Biere auf dem mit Sorten und Typen sehr gesättigten Biermarkt halten werden.
Eine Markierung auf dem Weg zurück zur Normalität im Zuge der Lockerungen war für mich persönlich im Mai die Reaktivierung des Ausschanks im sogenannten Brauwerk. An zwei Abenden in der Woche werden dort die Craftbiere der Ottakringer Spezialitätenbrauerei gezapft. Dort trifft man ein interessantes Publikum: Brauereimitarbeiter, Biergenießer und -kenner und zuweilen auch Ottakringer Couleurstudenten, die in Coronazeiten ein Freiluftbier einem Budenbesuch vorziehen. Das Brauwerk ist definitiv kein Ort für die Anhänger eines geschmacksreduzierten 08/15-Gerstensaftes, denn die Biere von Blonde – mein Favorit – über IPA bis Porter haben alle einen starken Charakter. Aber das Ambiente direkt in der Brauerei und die absolute Frische der Biere machen an diesem Ort den Biergenuss zum Hochgenuss.
Mein bieriges Resümee, das nicht nur für die Coronazeit gilt: Beim Einkauf unbedingt auf das Ablaufdatum schauen, ideal ist eine Haltbarkeit von circa sechs Monaten. Auch auf die Lagerung beim Einkauf achten, denn ein Tag schlechte Lagerung bedeutet einen Haltbarkeits- und damit Qualitätsverlust von vier Wochen bei guten Bedingungen! Also von Bier, das an der Sonne stand oder zu warm gelagert wurde, die Finger lassen. Und bei den Wirten gilt es kritisch zu sein. Meist hat man schon beim Betreten eines Lokals ein Gefühl dafür, ob das Bier aus dem Spundloch einfach runtergelassen oder nach den Regeln der Kunst gezapft wird. In diesem Sinne: Die Blume, zum Wohl!

Hier sind noch meine persönlichen Kostnotizen zu den erwähnten Bieren. Es gilt: De gustibus non est disputandum :-).

Schremser Kellerpils: Frischer, breiter Geschmack mit hopfigem Abgang, der auch etwas an Märzen erinnert. Die Kohlensäure ist ausgeprägt, deshalb am besten aus einem breiten Glas trinken.
Ottakringer Zwickl: Fruchtig in der Nase, erfrischend im Geschmack, der Hopfen und Gerste ergänzen sich harmonisch. Der naturtrübe Klassiker im Wirtshaus genauso wie bei der Kneipe.
Wieselburger Zwickl: Ein Zwicklbier mit einer dezent ausgeprägten Aromatik. Ein Tipp für alle, die weniger Würze bevorzugen.
Stiegl Hell: Die Farbe entspricht absolut dem Namen, dazu ein Hopfenaroma, das angenehm nachhallt. Der Geschmack ist ausgeprägt, aber nicht dominant. Mit seinem vergleichsweise geringen Alkoholgehalt sicher ein interessantes Bier für den Sommer.
Brauwerk Blonde: Vom Biertyp her ein 'belgisch Blonde' mit ausgeprägten Aromen, die auch ein bisschen an Weizenbier – aber ohne Banane (!) – erinnern. Im Abgang hopfig-frisch.

Text: Dr.cer. Dietrich von Bern

Kontakt für allfällige Rückmeldungen:
blech-bote@aon.at

zuletzt geändert: 01.07.2020 um 22.40 Uhr