Nummer 8/2021
Oberösterreichisches Würfelspiel

Anfang des 17. Jahrhunderts, zur Zeit der Gegenreformation, fand in Oberösterreich ein Bauernaufstand statt. Nach dessen Beendigung wurde in Frankenburg die Hälfte der Anführer hingerichtet und die andere Hälfte begnadigt, wobei die Betroffenen paarweise gegeneinander um ihr Leben würfeln mussten. Heutzutage wird über Aufstände nicht mit Würfeln, sondern mit Stimmzetteln entschieden, wovon uns der hohe Phil-x Carolinae berichtet.


Gedanken eines Linzers zur Landtagswahl in Oberösterreich
Auch wenn ich in Linz aufgewachsen bin und als Jugendlicher viele – teils hitzige – politische Diskussionen geführt habe, habe ich an keiner Wahl zum Oberösterreichischen Landtag teilgenommen. 1979 (ÖVP 51,61 %, SPÖ 41,42 %, FPÖ 6,38 %) war ich mit 15 Jahren noch zu jung. 1985 (ÖVP 52,13 %, SPÖ 37,95 %, FPÖ 5,03 %) war ich zwar schon 21, hatte aber meinen Wohnsitz bereits in Niederösterreich bzw. Wien. 1985 kandidierten übrigens drei 'Grünlisten'. Keine kam in den Landtag, gemeinsam hätten sie aber die 4%-Hürde geschafft. Damals – in der guten alten Zeit – da war die politische Welt in Oberösterreich noch in Ordnung. ÖVP unangefochten an der Spitze, eine starke SPÖ in der Opposition und die FPÖ gab’s auch noch.
Die Landtagwahl 2021 beobachtete ich aus der Ferne. Erschreckend ist, dass nur noch 76 % der Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben. Wenn die Wahlbeteiligung sehr gering wird, dann kann leicht die Frage auftauchen, ob denn das Ergebnis den Willen der Bevölkerung noch zum Ausdruck bringt. Oder kann man sich als Entscheidungsträger nicht ohnehin darüber hinwegsetzen? Es ist einfach traurig, wenn ein so großer Teil der Bevölkerung augenscheinlich kein Interesse mehr daran hat, in einem demokratischen Rechtsstaat zu leben.
Wahlergebnisse werden in Prozent der gültigen Stimmen angegeben. Wenn Wahlergebnisse auf die Zahl der Wahlberechtigten bezogen werden, ergibt sich ein erstaunliches Bild. Dann wurde die ÖVP nicht von 37,61 % gewählt, sondern nur von 27,77 %, die FPÖ nicht von 19,77 %, sondern nur von 14,60 %, die SPÖ nicht von 18,58 %, sondern nur von 13,72 %, die Grünen nicht von 12,32 %, sondern nur von 9,09 %, die MFG nicht von 6,23%, sondern nur von 4,60 % und die NEOS nicht von 4,23 %, sondern nur von 3,13%. Die 'Nichtwähler' machen mit 23,66 % den zweitgrößten Anteil an Wahlberechtigten aus, sie haben im Vergleich zur Landtagswahl 2015 5,29 % gewonnen!
Erstmals angetreten ist die Partei Menschen Freiheit Grundrechte (MFG). Auf deren Homepage ist auch das Parteiprogramm veröffentlicht. Ich habe es nicht im Detail analysiert, bin aber in der Rubrik 'Neue Corona Politik' hängen geblieben. Die Botschaft der dort aufgestellten Forderungen heißt für mich: 'Die Maßnahmen der Regierung im Zusammenhang mit der Pandemie verstehen wir nicht und können sie nicht nachvollziehen. Wir gehen daher davon aus, dass viele Entscheidungen abseits fachlich fundierter Fakten erfolgt sind. Wir vermuten weiters, dass nicht alles nach objektiven Kriterien entschieden und vergeben worden ist, sondern dass für Einige die Krise ein wirtschaftlicher Erfolg war.' Dieses Misstrauen gibt es in Gruppen der Bevölkerung wahrscheinlich immer. Für mich ist bemerkenswert, dass diese Gruppe so groß geworden ist.
Einmal mehr zeigt sich, dass die großen einheitlichen Wählerblöcke nicht mehr existieren. Die Welt ist bunter geworden, die Vielfalt der Meinungen und Ansichten hat zugenommen. Das erlebe ich auch im täglichen Umgang mit Arbeitskollegen, im beruflichen Umfeld aber auch bei uns in den Verbindungen. Und da brauche ich gar nicht an die Breite der Interpretation unserer Prinzipien denken, da reicht es, Auffassungsunterschiede in der korrekten Anwendung des Comments zu sehen.
Text: Dr.cer. Archimede
Bild: DDr.cer. Raffael
Kontakt für allfällige Rückmeldungen:
blech-bote@aon.at

zuletzt geändert: 03.10.2021 um 23.26 Uhr