Nummer 10/2020
Sterndeutereien


Gerade jetzt vor Weihnachten bietet es sich an über verschiedene Arten von Sternen und Sternchen nachzudenken. Zimtsterne werden im nachfolgenden Beitrag jedoch nicht erwähnt.

Es ist Vorweihnachtszeit und wie jedes Jahr werden in den Straßen, in den Auslagen und in den Geschäften aber auch in vielen privaten Vorgärten oder Fenstern unzählige leuchtende Sterne aufgehängt, um die der Jahreszeit entsprechende Dunkelheit zu vertreiben und an das bevorstehende Weihnachtsfest zu erinnern. Viele davon sollen nur die entsprechende Stimmung verbreiten, um das Weihnachtsgeschäft – sobald die Läden wieder offen haben – anzukurbeln, was vielleicht gerade heuer wegen der Corona-Krise für manchen Unternehmer wirklich überlebenswichtig ist. Einige andere, die meist an stilleren Plätzen leuchten, sollen an den eigentlichen Zweck der Adventzeit erinnern, die Vorbereitung der Christen auf das Weihnachtsfest, mit dem die Geburt des Erlösers gefeiert wird.
Neben den blühenden oder leuchtenden Weihnachts-Sternen in den Wohnungen und Straßen findet man schon seit längerem (aber nicht nur in der Adventzeit) immer wieder Gender-Sternchen in verschiedenen Texten, mit denen versucht wird eine geschlechtergerechte Sprache schriftlich darzustellen. Und zu allem Überfluss wird jetzt sogar die österreichischste aller Limonaden (zumindest für eine Spezial-Edition) sprachlich sensibilisiert und in 'Almdudler*in' umbenannt. Das passt zwar gut zum Image des Firmeninhabers (dessen sexuelle Orientierung seine Privatsache ist), verdirbt mir aber die Lust dieses von mir als alkoholfreie Alternative bevorzugte Getränk zu konsumieren, weshalb ich 'leider' öfter zu Bier oder Wein greifen muss. In Deutschland haben Gerichte mittlerweile entschieden, dass die Verwendung der Gender-Sprache in Formularen nicht erforderlich ist und die Gesellschaft für deutsche Sprache hat ausdrücklich von der Verwendung der Sternchen abgeraten, da diese nicht der deutschen Rechtschreibung entsprechen, aber dessen ungeachtet hält nicht nur die Wiener Stadtverwaltung daran fest, sondern auch die Universität Wien empfiehlt in ihrer Leitlinie zum 'Geschlechterinklusiven Sprachgebrauch' die Gendersternchen, um Frauen zu fördern und gleichzustellen. Von dieser Gleichmacherei ausdrücklich ausgenommen sind seltsamerweise nur die akademischen Grade in Englischer Sprache, wie ich schon im Artikel 'Land der Titel' im Blech-Boten 8/2020 kritisch angemerkt habe.
Im englischen Sprachraum hat man hingegen ganz andere Probleme mit den Geschlechtern und sonstigen Unterscheidungsmerkmalen. So wurden heuer Diversitätsregeln für die Oscar-Vergabe festgelegt, wonach künftig nur mehr Filme zur Prämierung zugelassen werden, die den Inklusions- und Diversitätskriterien entsprechen. Das heißt, dass in Zukunft Frauen und Minderheiten, wie Behinderte, Farbige oder Schwule, Transsexuelle und dergleichen, bevorzugt werden. Demzufolge hätten schwarze, lesbische oder bisexuelle Film-Sternchen (womöglich mit Behinderung?) gute Chancen auf den nächsten Oscar. Das hat offenbar auch die Produzenten der James-Bond-Filme inspiriert, weil aktuellen Meldungen zufolge der nächste Agent 007 angeblich von einer Darstellerin, und zwar von einer farbigen Frau, verkörpert werden soll. Ich vermute, dass sich der Schöpfer der James-Bond-Figur, der Brite Ian Fleming, sowie deren erster, kürzlich verstorbener Darsteller, der Schotte Sean Connery, angesichts dieser Änderung im Grab umdrehen …
Obwohl ich grundsätzlich sehr wohl für die Gleichberechtigung von Frauen auf allen gesellschaftlichen Ebenen bin, verstehe ich beim besten Willen nicht, warum man dafür die geschlechtliche Identität von erfundenen oder gar historischen Personen verändern will. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Frauen Männer spielen und umgekehrt, das hat schließlich eine lange Tradition. Schon in der Antike wurden die weiblichen Theater-Rollen ausschließlich von Männern übernommen und in Opern oder Operetten können so manche Figuren schon aufgrund der Tonlage nur mit Hosenrollen besetzt werden, seit es unüblich geworden ist Sängerknaben wegen ihrer schönen Stimme zu kastrieren. Aber auch im Christentum hat das Rollenspiel längst Einzug gehalten. Im 16. Jahrhundert wurde Jesus Christus höchstwahrscheinlich von Martin Luther statt dem Heiligen Nikolaus als Gabenbringer eingeführt, da die Protestanten die Heiligenverehrung bekanntlich ablehnen. Daraus hat sich im Lauf der Zeit das engelsgleiche 'Christkindl' als eigenständige Figur entwickelt. Und obwohl alle namentlich genannten Engel (ganz zu schweigen vom eigentlichen Christus-Kind) in der Bibel männlichen Geschlechts sind, wird das Christkind auf Weihnachtsmärkten schon spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts ausschließlich von Mädchen bzw. jungen Frauen verkörpert. Auch bei anderen religiösen Bräuchen haben sich die jungen Christinnen in den letzten Jahrzehnten längst emanzipiert. So kann es durchaus vorkommen, dass sich Frauen als Nikolo verkleiden, wogegen nichts spricht, solange deren Rolle nicht in 'Frau Nikolaus' umgedeutet wird.
Und auch wenn zu Beginn des neuen Jahres die Sternsinger von Haus zu Haus ziehen, um Spenden für ein caritatives Projekt zu sammeln, werden nicht wenige der Heiligen Drei Könige von Mädchen gespielt. Die biblischen Erwähnung von Sterndeutern, welche einem Leitstern folgten, um dem neugeborenen König der Juden zu huldigen und ihm ihre Gaben zu überbringen, ist nachweisbar seit dem 16. Jahrhundert die Grundlage für diesen Heische-Brauch. Aus der Anzahl der Gaben schloss man auf jene der Weisen und sah diese seit dem Mittelalter als Könige aus den drei damals bekannten Kontinenten Europa, Asien und Afrika an, weshalb einer üblicherweise als Mohr dargestellt wird. Deshalb wird meist auch eines der Kinder schwarz bzw. dunkelbraun geschminkt, was heutzutage oft kritisiert oder unterlassen wird. In einer deutschen Kirche wurde sogar beschlossen die Krippenfiguren der Heiligen Drei Könige gar nicht mehr aufzustellen, weil jene des Melchior unverkennbar negroide Züge aufweist. Das ist insofern unverständlich, als die Figur eines Königs bzw. Weisen wohl kaum als Herabwürdigung eines Schwarzafrikaners angesehen werden kann.
Umgekehrt darf aber George Gershwins 'Porgy and Bess' ausschließlich von farbigen Künstlern und Künstlerinnen gespielt bzw. gesungen werden, weil es der (weiße) Komponist der 1935 uraufgeführten Oper so bestimmt hat. Wo bleibt denn da der Aufschrei nach Gerechtigkeit und Freiheit der Kunst? In der Beschreibung des Werkes laut Wikipedia sind die Charaktere übrigens allesamt als 'Neger' bezeichnet, obwohl man dieses Wort doch angeblich nicht mehr sagen darf. Müsste man deshalb nicht gleich das ganze Stück verbieten? Bezüglich des guten Geschmacks kennen die Befürworter der 'political correctness' ja auch sonst keine sinnvollen Grenzen: Da kommen die Zigeuner- unter die Zirkusräder und den Mohren wird nicht nur das (letzte) Hemd ausgezogen, sondern Neger dürfen auch nicht mehr Küssen. Sogar vor Wiener Straßennamen wird nicht halt gemacht. Nicht nur die Große und die Kleine Mohrengasse sorgen seit einiger Zeit für Diskussionen, sondern unter anderem auch die Columbusgasse und der gleichnamige Platz, weil der Entdecker Amerikas auch für die nachfolgende Unterdrückung der indigenen Bevölkerung mitverantwortlich war.
In Salzburg hingegen hat ein linker Historiker mehr als 90 Jahre nach der Entstehung (und fast 75 Jahre nach Kriegsende) ein Problem mit dem Logo der Salzburger Festspiele entdeckt, welches 1928 von der Grafikerin Leopoldine Wojtek gestaltet wurde, weil diese Künstlerin später mit den Nazis sympathisierte. Dabei hat er in seiner Korrektheit scheinbar übersehen, dass der Text des meistgesungenen Weihnachtsliedes – NEIN: Nicht 'Last Christmas' – von einem Salzburger Priester namens Joseph Franz MOHR geschrieben wurde und daher bei strenger Betrachtung der Namensherkunft womöglich auch verboten werden müsste. Dennoch werden wir uns auch heuer zu Weihnachten nicht davon abhalten lassen und wieder 'Stille Nacht! Heilige Nacht!' singen.
Bis dahin wünsche ich allen Lesern einen beSINNlichen Advent.
Text und Bild: DDr.cer. Raffael

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zuletzt geändert: 05.12.2020 um 22.01 Uhr