Was blieb vom Doppeladler?


Das Land 'Österreich' existiert seit mehr als 1.000 Jahren und war mehr als 900 Jahre davon eine Monarchie, deren Schicksal rund 640 Jahre in den Händen des Hauses Habsburg lag. Die Republik Österreich, deren Verfassung am 1.Oktober vor 100 Jahren in Kraft trat, zehrt auch heute noch von dieser Vergangenheit.
Geografisch gesehen ist das Territorium des heutigen Österreich natürlich schon wesentlich länger besiedelt gewesen, wie zahlreiche Funde z.B. aus der Steinzeit oder der Bronzezeit belegen. Auch Kelten und Römer haben in diesem Gebiet gelebt. Aber erst mit der Belehnung der Babenberger durch Kaiser Otto den II. im Jahr 976 und der Erwähnung des Namens 'ostarrichi' in einer Schenkungsurkunde aus dem Jahr 996 entstand der Begriff 'Österreich'. Die Herrschaftsgebiete dieses Landes veränderten sich im Lauf der Jahrhunderte stetig. Am Beginn umfasste es nur kleine Teile des heutigen Nieder- und Oberösterreichs. Später kamen die Herzogtümer Steiermark und Kärnten sowie die Grafschaft Tirol dazu. Erst unter Kaiser Maximilian I., dessen 500. Todestages im Vorjahr gedacht wurde, waren alle Gebiete des heutigen Österreichs – mit Ausnahme des Erzbistums Salzburg und des Burgenlandes – in einer Hand vereint. Die größte Ausdehnung hatte das Habsburgerreich unter Karl V., in dessen Reich die Sonne nie unterging. Aber auch das 1804 gegründete 'Kaiserreich Österreich' (1) reichte nach dem Sieg über Napoleon bzw. dem Wiener Kongress von Vorarlberg im Westen bis nach Siebenbürgen im Osten und von Böhmen im Norden bis zur Küste Montenegros im Süden.
Nach dem Scheitern der Friedensbemühungen des Seligen Kaiser Karl I. endete der erste Weltkrieg – nicht zuletzt aufgrund der Einmischung der US-Amerikaner, denen ein großes Österreich genauso ein Dorn im Auge war, wie den übrigen Alliierten – mit der Zerschlagung des Vielvölkerstaates und der Gründung der 'Republik Deutschösterreich', da mit Ausnahme der christlich-sozialen Partei alle anderen – also Sozialdemokraten ebenso wie Deutschnationale – für den Anschluss an das Deutsche Reich eintraten. Erst durch den Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye vom 10.9.1919 wurde der Staatsname auf 'Republik Österreich' geändert.
Mit der Ausrufung der Republik wurde 1919 auch das Adelsaufhebungsgesetz beschlossen, das in Österreich – anders als in vielen anderen Ländern, wo die Titel zu Bestandteilen des Namens wurden – das Führen der Adelstiteln und -prädikaten gänzlich verbot. Seltsamerweise blieb dennoch die 'Höflichkeit', die auf die Umgangsformen bei Hofe zurückgeht, ebenso erhalten wie die 'Hofräte', die zwar keinen (Kaiser-)Hof mehr beraten, aber deren heutige 'Chefs' noch immer in der Hofburg oder in diversen Palais des ehemaligen Hochadels residieren. Als gäbe es keine anderen Sorgen wurde im Jahr 2019 (!) Karl von Habsburg nach obigem Gesetz verurteilt, weil er auf seiner Homepage das 'von' im Namen führt. Eine Geldstrafe blieb ihm aber erspart, weil diese nur in Kronen (ungarisch: corona!) zu entrichten gewesen wäre, da das Gesetz auf Grund seiner Unwichtigkeit nie an neuere Währungen angepasst wurde.
Apropos Geld: Obwohl die Monarchie angeblich ein Völkerkerker (2) und die Gründung der Republik angeblich ein Grund zum Feiern war, bedienen sich Staat und Land gerne dieses Erbes. Die Bundespräsidenten verschiedenster Parteien nahmen unter dem Portrait Maria Theresias ihren Platz ein und das enteignete Vermögen der Habsburger (3) wurde und wird gerne (außer in der aktuellen Corona-Zeit) gewinnbringend für die Tourismuswirtschaft genutzt. Das Schloss Schönbrunn ist der Hauptanziehungspunkt für in- und ausländische Gäste, aber auch das Sisi-Museum, die Hofreitschule und zahlreiche andere Schauplätze der österreichischen Geschichte sind heiß begehrt und oft überhaupt nur mehr nach Vorreservierung von Tickets zu besichtigen. Auch die Vermarktung des Doppeladlers und diverser Kaiserbilder bringt viel Geld in die Kassen. Auch der Österreichische Rot- pardon Rund-Funk macht gerne davon Gebrauch, um seine Quoten anzukurbeln. Dass sich das Volk bereitwillig von einem Kabarettisten im Kaiser-Kostüm zum Narren halten lässt, finde ich sehr bedenklich. Die regelmäßigen Wiederholungen der Sissi-Filme sind zumindest für die Wirtschaft gut (siehe oben) und gegen die unzähligen Dokumentationen, die insbesondere auf ORF III immer wieder laufen, um die Sendezeit zu füllen, ist nichts einzuwenden, da diese zur Erinnerung an die Zeit vor 1918 beitragen.
Text: DDr.cer. Raffael

(1) in der damals offiziellen Schreibweise Kaiserthum Oesterreich
(2) In der Kommandobrücke vom März 1958 war in einem Artikel von DDr. Willy Lorenz mit dem Titel 'Völkerkerker?' zu lesen, dass selbst Habsburg-kritische italienische Geschichtsschreiber zugeben mussten, dass die österreichische Regierung eine der gerechtesten war, die Italien je hatte.
(3) Durch das Habsburgergesetz von 1919, welches 1936 während des Ständestaates aufgehoben wurde, wurde nicht nur das hofärarische Vermögen, sondern auch das Privatvermögen der Angehörigen des Hauses Habsburg-Lothringen, die nicht formell auf ihre Herrscherrechte verzichteten, enteignet. 1938 wurde dieses Gesetz von den Nationalsozialisten wieder in Kraft gesetzt und ist trotzdem (bedenklicherweise) noch immer gültig.
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zuletzt geändert: 24.04.2020 um 00.42 Uhr