Fastenzeit anders
Die Zeit vor Ostern wird nach christlicher Tradition als Fastenzeit bezeichnet und soll der Buße und Umkehr dienen. Im heurigen Jahr wird uns mancher Verzicht durch die Beschränkungen infolge der Corona-Krise erleichtert.
Viele Menschen beginnen jedes neue Jahr mit guten Vorsätzen, wie z.B. zum Rauchen aufzuhören, die sie schon nach wenigen Tagen oder Wochen wieder vergessen. Ähnlich ist es oft auch in der Vorbereitungszeit auf Ostern, wenn wir uns vornehmen auf dies oder das zu verzichten, aber diese freiwillige Selbstbeschränkung im Alltagstrott rasch wieder vergessen bzw. ignoriert wird.
Noch vor ca. 50 Jahren war der Verzicht auf Fleischspeisen in der Fastenzeit in den meisten christlichen Haushalten selbstverständlich. Aber die Vorschriften der katholischen Kirche wurden in den letzten Jahrzehnten stetig gelockert, das Fleischfasten beschränkte sich z.B. nur mehr auf Freitage, und wurde schließlich durch die Empfehlung des Verzichts auf andere Genüsse (z.B. Alkohol oder Schokolade) ersetzt. Heute werden nicht einmal mehr die strengen Fastentage – Aschermittwoch und Karfreitag – von allen Gläubigen beachtet. In anderen Religionen (orthodoxe Kirchen, Islam) hingegen werden die Fastenbräuche der Vergangenheit noch immer strikt eingehalten.
Ich muss zugeben, dass ich selbst zu jener Gruppe zähle, welche die Enthaltsamkeit – abgesehen von den strengen Fasttagen – nicht allzu ernst nimmt. So habe ich z.B. nur selten auf das Bier bei einer Kneipe verzichtet, weil ich zu Hause ohnedies nicht jeden Tag (und wenn dann nur in geringen Mengen) Alkohol konsumiere. Umso mehr habe ich bedauert, dass heuer der schon lange geplante St.Patricks-Abend infolge der Corona-Beschränkungen abgesagt wurde und das Guinness bzw. Kilkenny auf der Bude vergeblich darauf warten mussten, getrunken zu werden.
Andererseits ermöglichen die Ausgangsbeschränkungen und das Veranstaltungsverbot sich eher auf den Zweck der Fastenzeit zu besinnen, weil die Ablenkungen durch Schlemmereien mit Freunden, lange Abende bei der Verbindung oder sonstige diverse kulturelle Ereignisse weggefallen sind. Dies veranlasste mich dazu philosophische Überlegungen über das Corona-Virus anzustellen, die ich hier kurz zusammenfassen möchte.
Woher kommt das Virus mit dem genauen Namen SARS-CoV-2 eigentlich? Meines Erachtens gibt es dafür nur drei grundsätzliche Möglichkeiten:
  1. Wurde das Virus vom Menschen erschaffen? Manche Verschwörungstheorien behaupten, dass es absichtlich als biologische Waffe entwickelt wurde oder im Zuge medizinischer Forschungen entstanden sei und versehentlich verbreitet wurde. Seriösen Nachrichten zufolge ist das aber nicht der Fall.
  2. Ist das Virus in der Natur von selbst entstanden? Der atheistischen Weltanschauung zufolge ist das ganze Universum – und somit auch die Erde mit allen ihren Bewohnern – mehr oder weniger ein Zufallsprodukt, das sich aus dem Urknall im Laufe der Jahrmilliarden ganz ohne göttlichen Plan entwickelt hat. Demzufolge wäre auch das Corona-Virus nur eine weitere Evolution im Reich der Viren. Aber diese Ansicht steht meines Erachtens im Widerspruch zu unserem Glauben.
  3. Wurde die Erkrankung COVID-19 von Gott gesandt? Wenn man die ersten beiden Varianten ausschließt, verbleibt eigentlich nur diese Erklärung. Und sie erscheint nicht unlogisch, wenn man sie mit den religiösen Lehren vergleicht. Schließlich stammt nach unserer Überzeugung alles Leben – Menschen, Tiere, Pflanzen und natürlich auch unsichtbare Lebewesen wie Bakterien – von Gott. Aber auch alle anderen anorganischen oder organischen Bestandteile unserer Welt, zu denen letztlich auch Viren zählen, müssen wohl Teil des göttlichen Schöpfungsplans sein. Die Bibel, aber auch die Geschichte lehren uns, dass es auf Erden immer wieder zu großen Katastrophen kam, welche einzelne Gebiete oder auch die ganze Welt verändert und vielen Menschen das Leben gekostet haben. Laut dem Alten Testament sandte der Herr die Sintflut, um die Menschen, die er erschaffen hat, vom Erdboden zu vertilgen (Gen 6,7) oder ließ Schwefel und Feuer auf Sodom und Gomorra regnen, um die ganze Gegend und alle Einwohner zu vernichten (Gen 19,24-25), um nur zwei der bekanntesten Beispiele aus der Bibel zu zitieren. Historische Beispiele für Pandemien sind u.a. die Pest, der Mitte des 14. Jahrhunderts allein in Europa rund 25 Millionen Menschen – das war etwa ein Drittel der damaligen Bevölkerung – zum Opfer fielen oder die Spanischen Grippe an der nach dem ersten Weltkrieg angeblich fast 50 Millionen Menschen weltweit verstarben. Seuchen und Naturkatastrophen gab es immer schon, auch in einer Zeit bevor der Mensch durch Umweltverschmutzung und Treibhausgase aktiv zu deren Vermehrung beigetragen hat. Diese Ereignisse sind somit offenbar ein Teil des großen Plans und stehen nicht im Widerspruch zum Glauben an die göttliche Liebe. Möglicherweise handelt es sich eher um Prüfungen, die den Menschen Demut und Zuversicht lehren sollen, sofern es nicht gar schon Vorboten der letzten sieben Plagen sind, die uns Johannes in seiner Offenbarung prophezeit hat.
Es bleibt jedem selbst überlassen, eine der obigen Varianten zu glauben oder eigene Theorien zu entwickeln. Jedenfalls gibt uns das unfreiwillige 'Fasten' von Veranstaltungen jeglicher Art mehr Zeit über Gott und die Welt nachzudenken und darauf zu hoffen, dass irgendwann nach Ostern auch das normale Leben wieder Auferstehung feiert.
Text: DDr.cer. Raffael
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zuletzt geändert: 31.03.2020 um 20.59 Uhr